Begann demnach unsere vom Haustier begeleitete und getragene, nacheiszeitliche Zivilisation mit der vorerst absichtslosen Zähmung einiger Wolfswelpen durch Frauen? Vieles spricht dafür. Denn ohne intensive Prägung in dieser Form, hätte eine solch enge Verbundenheit, wie sie etwas später zwischen Mensch und „Haus-Wolf“ bestand nicht möglich sein können.
Wichtigste Voraussetzung für die erste Zähmung sowie auch für die folgende Domestikation der Hauswölfe, war die enge ökologische und soziale Verwandtschaft zwischen Mensch und Wolf, allen voran aber zwischen Frau und Wölfin, in ihrer beider Abhängigkeit vom Versorger. Die Männer der Sippenverbände waren auf ihren gemeinsamen Jagd- und Kriegszügen lange unterwegs. Auch die Knaben wurden bereits im frühen Alter auf ihre zukünftige Aufgaben vorbereitet. Mut, Ausdauer, Jagdgeschick und Kenntnisse des Wildes und des Feindes standen ganz im Vordergrund männlicher Interessen. Ihr Lebensinhalt war Kampf und Töten, nicht Wärme, Mitleid und Fürsorge. So wurde auch der Wolf u.a. wegen seines Pelzes gejagt, und nicht geschont, oder gar als sympathisch erlebt. Schwer vorstellbar also, dass die Initiative zu seiner Zähmung von ihnen, den damaligen Männern, ausgegangen sein soll. Sie waren mental dazu nicht in der Lage.
Die Mädchen und Frauen hingegen waren für die Behausung und den Nachwuchs zuständig, für den Zusammenhalt der Familie. Wahrscheinlich fing es damit an, dass eine junge Mutter ihr Kind verlor und mit dem Verlangen nach Fürsorge und Pflege, einen kleinen Wolfswelpen an die Brust legte. Einige Frauen unter uns werden jetzt wahrscheinlich einen lauten Ekellaut ausstoßen. Doch es ist auch heute noch bei vielen Indianerstämmen Südamerikas üblich Hundewelpen zusammen mit ihren Kindern zu säugen. Dort übernehmen die Hunde dann unter anderem die Funktion einer Windel, in dem sie das Kind von Kot und Urin, wie ihre eigenen Welpen, sauber hielten.
Frauen zähmten die ersten Wölfe also nicht im Sinne einer zukünftigen Nutzung, sondern eher als spontane Reaktion auf ein mutterloses, kleines, hilfloses Tier. Und auch später eigneten sich die neuen „Hauswölfe“ nicht als Jagdgenossen, zum Bewachen der Lager oder gar zum Einsatz im Kampf gegen feindliche Stämme. Wozu waren sie dann aber nützlich? Denn auf irgendeine Weise mussten sie mit der Zeit für ihr Futter und ihren Schutz bezahlen.
Irgendwie scheint es schwer dem ganzen etwas für den Mensch nützliches abzugewinnen, bis auf eine Ausnahme: Ihre große Affinität zu Kindern. Neugeborene werden intensiv berochen und beleckt; nicht anders als die eigenen Welpen. Vermutlich löst der ähnliche, leicht süßliche Geruch von Milchkot dieses Verhalten aus. Auch ältere Kinder werden umsorgt und bewacht. Die Wölfe waren also Babysitter bzw. Spielkameraden für die Kinder?!
Das ist eine logische Erklärung und Theorie, wenn man all die Kenntnisse, die man heute über die damalige Zeit gewonnen hat, miteinander abgleicht. Sicher ist und bleibt es aber ein „Indizienprozess“.
Vergleich Wolf / Hund
Was wir heute aber mit Sicherheit sagen können ist, dass der Wolf zwar der Urahn unserer Hunde ist, doch viele Verhaltenselemente des Wolfes gingen unseren Hunden im Zuge der Domestikation „verloren“.
Viele Mythen kursieren über den „bösen“ Wolf und sein Verhalten im Rudel.
Die Aufgaben eines Leitwolfes, bzw. der Alphahündin, und wie diese sich ihrem Rudel gegenüber verhalten, sind oft erstaunlich anders als man glauben mag. Auch die Tatsache, dass in einem Wolfsrudel zwei getrennte Hierarchien existieren, nämlich zwischen Rüden und Fähen, ist den wenigsten bekannt. Es gibt bei Wölfen eine Futterregelung, die völlig getrennt von den anderen beiden Ordnungen zu betrachten ist. Es sind viele gewonnene Erkenntnisse, die sich von dem Sozialverhalten unserer Hunde teils gravierend unterscheiden. Der Hund benimmt sich in vielen Punkten wie ein juveniler Wolf, obwohl er viel schneller reift als der Wolf. Er ist also früher „erwachsen“, weißt aber lange nicht alle ausgereiften Verhaltensweisen, wie sie beim Wolf zu beobachten sind, auf. Er ist also einerseits frühreif andererseits nicht ausgereift – gemessen an der Verhaltensqualität des Wolfes.