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Der Hund im Wolfspelz

Eine Auseinandersetzung mit den Forschungsarbeiten
von E. Ziemen, Dr. D. Feddersen-Petersen, E. Trumler und K. Lorenz

Der Hund, der beste Freund des Menschen – aber wie kam es überhaupt dazu?

Bei der Suche nach der Beantwortung die­ser Frage hat uns in der jün­ge­ren Gegenwart die unglaub­li­che Erscheinungsvielfalt der Hunde eine Weile in Zweifel gestürzt, ob über­haupt nur EIN wil­der Vorfahr der Urahn unse­rer Hunde gewe­sen sein kann. Doch auf­grund heu­ti­ger wis­sen­schaft­li­cher Möglichkeiten, u.a. in der Genforschung, ist nun ein­wand­frei nach­ge­wie­sen, dass der Wolf der allei­ni­ge Urahn unse­rer Hunde ist.

Um zu ver­ste­hen, wie der Hund und der Mensch sich wäh­rend der evo­lu­tio­nä­ren Entwicklung immer näher gekom­men sind, müs­sen wir uns anse­hen, wie die Menschen und die Wölfe vor ca. 25.000 bis 20.000 Jahren gelebt haben.

Mit der maxi­ma­len Ausdehnung des Eises der letz­ten Eiszeit vor ca. 25. bis 20.000 Jahren star­ben vie­le der rie­si­gen Säugetierarten wie z.B. das Mammut, Wollnashorn oder der Riesenhirsch aus. Einige der klei­ne­ren Arten wie Rentier, Pferd oder Saiga – Antilope gelang es, sich in für sie güns­ti­ge­re Regionen zurück zu zie­hen. Entsprechend gab es auch bei den gro­ßen und rie­si­gen Fleischfressern einen gehö­ri­gen Rückgang. Am Ende blie­ben nur noch die bei­den anpas­sungs­fä­higs­ten übrig – Mensch und Wolf.

Durch die­se Unspezialisiertheit zeig­te der Wolf auch die größ­te inner­art­li­che Variabilität aller Säugetierarten. Wiegt der auf der ara­bi­schen Halbinsel leben­de Wolf (die kleins­te Wolfunterart) kaum 20 kg, so errei­chen gro­ße Exemplare in Alaska und Sibirien ein Gewicht von 70 bis 80 kg. Und wäh­rend die­se Wölfe fast kom­plett grau sind, sind ande­re in wär­me­ren Gebieten der Erde fast rot, in ande­ren Gebieten wie­der­um tief schwarz und woan­ders wie­der völ­lig weiß. Die einen töten Elche, die bis zu 15 mal grö­ßer sein kön­nen als sie selbst und ande­re leben nur von Kleinsäugern und Insekten.

Es gibt und gab auch Wölfe, die sich, und das ist wohl der ers­te aller zukünf­ti­gen Schritte in Richtung „Zusammenleben“ der Wölfe und der Menschen gewe­sen, von den Abfällen des Menschen ernähr­ten. So wur­de die Grundvoraussetzung geschaf­fen, die über­haupt erst die Domestikation des Wolfes mög­lich mach­te. Denn dadurch ver­mehr­ten sich nur die Tiere unter­ein­an­der, die eine sehr gerin­ge Fluchtdistanz hatten.

Domestikation bedeu­tet die gene­ti­sche Isolation der Tiere im Hausstand von ihren wil­den Artgenossen. Da man damals weder Zäune noch Ketten kann­te, ist dies ein Indikator dafür, dass die Wölfe frei­wil­lig die Nähe des Menschen suchten.

Der Wolf war damals wie heu­te ein sehr scheu­es Tier. Doch es gab und gibt teil­wei­se erheb­li­che Unterschiede bezüg­lich der Fluchtdistanz des Wolfes. Während die einen also am Abfall der Menschen satt wur­den, flo­hen die ande­ren so früh im Falle einer Störung, dass sie dort nie­mals satt wer­den konn­ten. Letztere muss­ten sich auf die ursprüng­li­chen Nahrungsquellen ver­las­sen und in grö­ße­rer Entfernung zum Menschen selbst jagen. Die, die sich aber am Müll satt fres­sen konn­ten, ver­mehr­ten sich dort erfolg­reich und blie­ben in der Nähe. Es paar­ten sich also völ­lig natür­lich die Exemplare der Wölfe, die eine gene­tisch fixier­te, gerin­ge­re Fluchtdistanz hatten.

Heute weiß man, dass es nicht mög­lich ist einen wil­den Wolf zu zäh­men, um ihn dann zu irgend­wel­chen Aufgaben nöti­gen zu kön­nen. Das Maximum an „Erziehung“ ist, ihn an einer Leine zu füh­ren und die ihm ver­trau­ten Menschen zu akzep­tie­ren, doch mehr wird man selbst bei größ­ten Bemühungen nicht schaf­fen. Kein Wolf, ich spre­che hier übri­gens von Wölfen, die mit der Hand auf­ge­zo­gen wur­den, also von klein an den Menschen ken­nen und in den wich­ti­gen Prägephasen schon mit ihm zusam­men waren, wird jemals mehr tun als oben erwähnt. Ein Wolf, der spä­ter mit Menschen kon­fron­tiert wird, d.h. nach der 3. Lebenswoche, wird mit größ­ter Wahrscheinlichkeit nie „zahm“ wer­den. Und selbst wenn man den Wolf vor der 3. Lebenswoche beginnt von Hand auf­zu­zie­hen wird längst nicht jeder Wolf zutraulich.

Es gibt kaum ein Raubtier, wel­ches nicht im Zirkus mit irgend­wel­chen Kunststückchen zur Schau gestellt wird – bis auf den Wolf. Die gän­gi­ge Theorie, dass Männer Wolfswelpen von der Jagd mit­ge­bracht haben ist also allein des­we­gen schon absurd, denn die Welpen hät­ten schon vor der 3. Lebenswoche mit­ge­bracht haben müs­sen. Zu die­sem Zeitpunkt ist ein Welpe aber noch auf Milch angewiesen.

Vor ca. 20.000 Jahren gab es aber noch kei­ne ande­ren Haustiere. Da der Hauswolf also das ers­te Haustier des Menschen war, stand auch noch kei­ne Milch von Ziegen oder Rindern zur Verfügung. Aber ein­mal abge­se­hen von dem Ernährungsproblem, hät­ten die Menschen damals mit den adul­ten Wölfen nichts mehr anfan­gen kön­nen. Als Wachhund taug­ten sie nicht, weil Wölfe nicht bel­len. Der Wolf lässt sich auch nicht aus­bil­den, was macht das gan­ze also für einen Sinn?

Domestikationstheorien
Welches Motiv es nun auch immer für eine ers­te „Verwendung“ gege­ben zu haben scheint, es ist wohl so, dass wir die Vorstellung auf­ge­ben müs­sen, der Mensch habe den Wolf bewusst und zukunfts­ori­en­tiert gezähmt. Die vie­len Vorzüge und unter­schied­li­chen Einsatzmöglichkeiten der spä­te­ren Hunde waren am Verhalten der ers­ten „Hauswölfe“ kaum zu erken­nen. Für ihre Aufnahme in die mensch­li­che Gesellschaft müs­sen ande­re Gründe vor­lie­gen. Deshalb sol­len die nach­fol­gen­den Theorien auch nur eine Abhandlung der gän­gigs­ten Irrtümer sein.

  1. Domestikation als Folge von Canophagie (der Verzehr von Hunden). Der Wolf wur­de also gehal­ten um ver­zehrt zu wer­den. Der Hauswolf als Nahrungsreserve? Ist schwer vor­stell­bar, weil der Wolf sich, wie gesagt, auch von Fleisch ernährt. Warum aber soll­te ein Tier für den Verzehr gehal­ten wer­den, des­sen Futter die glei­che, teu­re Nahrung war, die selbst benö­tigt wurde.
  2. Domestikation des „Wärmekissens“. Dienten die ers­ten zah­men Wölfe in kal­ten Nächten als Wärmekissen? Auf die Idee sind aus­tra­li­sche Forscher gekom­men, die die Beziehung zwi­schen Aborigines und dem Dingo unter­su­chen. Da in Australien extre­me Temperaturunterschiede zwi­schen Tag und Nacht herr­schen, zäh­men Aborigines jun­ge Dingos, um sich Nachts an ihnen zu wär­men. Allerdings müs­sen sie nach ca. 2 Jahren auf ihr leben­des Wärmekissen wie­der ver­zich­ten, denn dann ist es in der Regel so, dass der Freiheitsdrang, der die­sen ursprüng­lichs­ten Hunden inne­wohnt, so groß ist, dass sie fort­lau­fen und nicht wie­der zurück­keh­ren. Also müs­sen sich die aus­tra­li­schen Ureinwohner ca. alle zwei Jahre neue Dingowelpen ein­fan­gen. Wir wer­den spä­ter noch zum Thema Individualdistanz der Wölfe kommen.
  3. Domestikation eines Transportmittels. Zuletzt möch­te ich noch eine aben­teu­er­li­che, aber durch­aus exis­ten­te, Annahme zur Domestikation erör­tern. Ein kana­di­scher Anthropologe, der die Geschichte der Chipwey-Indianer unter­such­te, kam zu dem Schluss, dass den Männern die­ses Stammes ein ent­schei­den­der tech­no­lo­gi­scher Durchbruch gelang, als sie erkann­ten, dass sich Wölfe viel bes­ser vor einen Schlitten span­nen lie­ßen als Frauen. Also – Domestikation und Zivilisation infol­ge männ­li­cher Einsicht in die Unzulänglichkeiten der Frau? Eine zutiefst depri­mie­ren­de Vorstellung!
  4. Natürlich, wie an vie­len Stellen der Geschichte sieht man den Mann als Initiator der Domestikation und des Aufbruchs in ein neu­es Zeitalter. Wenn man aber genau hin­schaut und die jewei­li­gen Lebensbedingungen der dama­li­gen Menschen und die der Wölfe betrach­tet, so fällt zunächst auf, dass sie erbit­ter­te Nahrungs- und Lebensraumkonkurrenten waren. Sie jag­ten die glei­che Beute, sie waren gleich­falls auf ein Revier ange­wie­sen, in dem sie ihre Jungen auf­zie­hen konn­ten, bei­de leb­ten sie zeit­wei­se in Höhlen und sie hat­ten ein sozia­les Lebensmodel.

Dabei darf nicht ver­ges­sen wer­den, dass die Menschen die­ser Zeit von ihrem Verhalten her eher Tiere waren. Das heißt, kei­ner die­ser Menschen hät­te bei einer Begegnung mit Ihnen oder mir gezö­gert sofort zuzu­schla­gen, um uns zu töten. Es waren pri­mi­ti­ve Lebewesen, die genau­so um ihre Existenz kämpf­ten wie vie­le ande­re wil­de Tiere zu die­ser Zeit. Es gab die­sen Luxus nicht Mitleid oder Sympathie haben zu kön­nen. Es ist also wirk­lich recht unwahr­schein­lich, dass Mann über­haupt gezö­gert hät­te, einen zufäl­lig ent­deck­ten Wolfwurf sofort zu beseitigen.

Wie kann es also gewe­sen sein?

Als Nahrungskonkurrenten sind Wolf und Mensch zunächst ein­mal Feinde. Trotzdem müs­sen sich die Wölfe, wie gesagt, frei­wil­lig immer mehr dem Menschen ange­schlos­sen haben, und zwar von die­sem geduldet.

Vielleicht war es so, dass nicht der Mensch die Jagdfähigkeit des Wolfes zu nutz­ten ver­stand, son­dern umge­kehrt, der Wolf sich dem über­le­ge­ne­ren, mensch­li­chen Jägern anschloss und an des­sen Abfällen par­ti­zi­pier­te: „Pariawölfe“ der Steinzeit. Geduldet wur­den sie, weil sie die Camps und Siedlungen sau­ber hiel­ten, viel­leicht auch, weil man sie tat­säch­lich im Notfall töten und essen konnte.

Begann dem­nach unse­re vom Haustier bege­lei­te­te und getra­ge­ne, nach­eis­zeit­li­che Zivilisation mit der vor­erst absichts­lo­sen Zähmung eini­ger Wolfswelpen durch Frauen? Vieles spricht dafür. Denn ohne inten­si­ve Prägung in die­ser Form, hät­te eine solch enge Verbundenheit, wie sie etwas spä­ter zwi­schen Mensch und „Haus-Wolf“ bestand nicht mög­lich sein können.

Wichtigste Voraussetzung für die ers­te Zähmung sowie auch für die fol­gen­de Domestikation der Hauswölfe, war die enge öko­lo­gi­sche und sozia­le Verwandtschaft zwi­schen Mensch und Wolf, allen vor­an aber zwi­schen Frau und Wölfin, in ihrer bei­der Abhängigkeit vom Versorger. Die Männer der Sippenverbände waren auf ihren gemein­sa­men Jagd- und Kriegszügen lan­ge unter­wegs. Auch die Knaben wur­den bereits im frü­hen Alter auf ihre zukünf­ti­ge Aufgaben vor­be­rei­tet. Mut, Ausdauer, Jagdgeschick und Kenntnisse des Wildes und des Feindes stan­den ganz im Vordergrund männ­li­cher Interessen. Ihr Lebensinhalt war Kampf und Töten, nicht Wärme, Mitleid und Fürsorge. So wur­de auch der Wolf u.a. wegen sei­nes Pelzes gejagt, und nicht geschont, oder gar als sym­pa­thisch erlebt. Schwer vor­stell­bar also, dass die Initiative zu sei­ner Zähmung von ihnen, den dama­li­gen Männern, aus­ge­gan­gen sein soll. Sie waren men­tal dazu nicht in der Lage.

Die Mädchen und Frauen hin­ge­gen waren für die Behausung und den Nachwuchs zustän­dig, für den Zusammenhalt der Familie. Wahrscheinlich fing es damit an, dass eine jun­ge Mutter ihr Kind ver­lor und mit dem Verlangen nach Fürsorge und Pflege, einen klei­nen Wolfswelpen an die Brust leg­te. Einige Frauen unter uns wer­den jetzt wahr­schein­lich einen lau­ten Ekellaut aus­sto­ßen. Doch es ist auch heu­te noch bei vie­len Indianerstämmen Südamerikas üblich Hundewelpen zusam­men mit ihren Kindern zu säu­gen. Dort über­neh­men die Hunde dann unter ande­rem die Funktion einer Windel, in dem sie das Kind von Kot und Urin, wie ihre eige­nen Welpen, sau­ber hielten.

Frauen zähm­ten die ers­ten Wölfe also nicht im Sinne einer zukünf­ti­gen Nutzung, son­dern eher als spon­ta­ne Reaktion auf ein mut­ter­lo­ses, klei­nes, hilf­lo­ses Tier. Und auch spä­ter eig­ne­ten sich die neu­en „Hauswölfe“ nicht als Jagdgenossen, zum Bewachen der Lager oder gar zum Einsatz im Kampf gegen feind­li­che Stämme. Wozu waren sie dann aber nütz­lich? Denn auf irgend­ei­ne Weise muss­ten sie mit der Zeit für ihr Futter und ihren Schutz bezahlen.

Irgendwie scheint es schwer dem gan­zen etwas für den Mensch nütz­li­ches abzu­ge­win­nen, bis auf eine Ausnahme: Ihre gro­ße Affinität zu Kindern. Neugeborene wer­den inten­siv bero­chen und beleckt; nicht anders als die eige­nen Welpen. Vermutlich löst der ähn­li­che, leicht süß­li­che Geruch von Milchkot die­ses Verhalten aus. Auch älte­re Kinder wer­den umsorgt und bewacht. Die Wölfe waren also Babysitter bzw. Spielkameraden für die Kinder?!

Das ist eine logi­sche Erklärung und Theorie, wenn man all die Kenntnisse, die man heu­te über die dama­li­ge Zeit gewon­nen hat, mit­ein­an­der abgleicht. Sicher ist und bleibt es aber ein „Indizienprozess“.

Vergleich Wolf / Hund
Was wir heu­te aber mit Sicherheit sagen kön­nen ist, dass der Wolf zwar der Urahn unse­rer Hunde ist, doch vie­le Verhaltenselemente des Wolfes gin­gen unse­ren Hunden im Zuge der Domestikation „ver­lo­ren“.

Viele Mythen kur­sie­ren über den „bösen“ Wolf und sein Verhalten im Rudel.

Die Aufgaben eines Leitwolfes, bzw. der Alphahündin, und wie die­se sich ihrem Rudel gegen­über ver­hal­ten, sind oft erstaun­lich anders als man glau­ben mag. Auch die Tatsache, dass in einem Wolfsrudel zwei getrenn­te Hierarchien exis­tie­ren, näm­lich zwi­schen Rüden und Fähen, ist den wenigs­ten bekannt. Es gibt bei Wölfen eine Futterregelung, die völ­lig getrennt von den ande­ren bei­den Ordnungen zu betrach­ten ist. Es sind vie­le gewon­ne­ne Erkenntnisse, die sich von dem Sozialverhalten unse­rer Hunde teils gra­vie­rend unter­schei­den. Der Hund benimmt sich in vie­len Punkten wie ein juve­ni­ler Wolf, obwohl er viel schnel­ler reift als der Wolf. Er ist also frü­her „erwach­sen“, weißt aber lan­ge nicht alle aus­ge­reif­ten Verhaltensweisen, wie sie beim Wolf zu beob­ach­ten sind, auf. Er ist also einer­seits früh­reif ande­rer­seits nicht aus­ge­reift – gemes­sen an der Verhaltensqualität des Wolfes.

Es ist ganz nor­mal, dass unse­re Hunde vie­le Verhaltenselemente, die der Wolf drin­gend nötig hat, über­haupt nicht mehr oder sehr abge­schwächt zei­gen. Die größ­ten Unterschiede von Hunden und Wölfen kann man im Sozialverhalten beob­ach­ten. Für den Wolf ist die inner­art­li­che Kommunikation lebens­wich­tig. Ohne Abstimmung unter­ein­an­der stellt sich kein Jagderfolg ein.

Der Hund wird heu­te, und schon Jahrhunderte lang, nur noch sel­ten im Rudel gehal­ten, sein Futter bekommt er vom Menschen, des­halb sind ihm die kom­pli­zier­ten Fähigkeiten im sozia­len Bereich groß­teils abhan­den gekom­men. Wenn man es mensch­lich und nega­tiv aus­drü­cken will, dann könn­te man sagen, dass unse­re Hunde ver­wöhn­te und unrei­fe Einzelkinder sind. Wenn man es posi­tiv aus­drückt ist es wohl so, dass der Hund es geschafft hat, sich über Jahrtausende einen beque­men Platz an unse­rer Seite zu sichern und von unse­rem Fortschritt gehö­rig zu „pro­fi­tie­ren“.

Dass er dabei fast sei­ne Identität ver­lo­ren hat, weil er als Kindes- oder Partnerersatz, als vier­bei­ni­ges Familienmitglied, oder Prestige- und Dekorationsobjekt, als Trimm-dich, Sexual‑, Spiel- oder Sportpartner, als Aggressionsableiter oder Schmusebär, als Sündenbock, oder ein­fach als guter Freund her­hal­ten muss, ist zwar oft trau­rig, aber im Zuge der Evolution eben normal.

Ich möch­te hier ein paar mar­kan­te Unterschiede dar­stel­len und, so weit mög­lich, erklären.

Individualdistanz beim Wolf und Hund
Ein gra­vie­ren­der Unterschied zwi­schen den bei­den Verwandten ist z.B. die Individualdistanz, die sich erheb­lich von ein­an­der unter­schei­det. Ein adul­ter Wolf liegt allein, egal ob es schneit oder reg­net, egal wie kalt oder warm es ist. Ein Hund hin­ge­gen liegt oft im Körperkontakt mit ande­ren Rudelmitgliedern. Je käl­ter es ist, umso eher wird die Nähe des ande­ren gesucht. Dabei lässt sich auch ein rang­ho­hes Mitglied, d.h. der Leitrüde, „her­ab“, sich mit einem rang­nied­ri­ge­ren Tier gegen­sei­tig zu wär­men, oder in Ruheposition ein­fach bei­ein­an­der zu liegen.

Es ist also nicht rich­tig, dass der Hund nicht auf einer Ebene mit dem Menschen schla­fen soll, weil das die Wölfe auch so tun. Das bedeu­tet aber auch nicht, dass man es tun muss.

Das Markieren und Stoffwechselverhalten
Das Markieren ist auch eine Sache, die im Zuge der Evolution einer Wandlung unter­lag. Ein männ­li­cher Wolf uri­niert durch­aus auch ohne ein Bein zu heben, näm­lich dann, wenn er schlicht und ergrei­fend ein­mal muss. Es macht also beim Wolf einen Unterschied ob er sei­ne Blase ent­lee­ren muss oder ob er sein Revier mar­kiert. Er hebt es eben tat­säch­lich nur, wenn er sein Revier mar­kiert. Abgesehen davon ist das Markieren dem Rudelführer und der Alphawölfin vor­be­hal­ten, der Rest des Rudels setzt nur Urin ab.

Unsere Hunde aber mar­kie­ren heu­te pin­keln­der Weise wo sie gehen und ste­hen. Es wird kreuz und quer durch die Gegend mar­kiert. Unsere Hündinnen mar­kie­ren eigent­lich, im Gegensatz zur Alphawölfin, nicht, oder nur sehr ein­zel­ne Exemplare (wie z.B. mei­ne Hündin).

Auch die Kotabgabe ist ein Thema, das den Hund vom Wolf deut­lich unter­schei­det. Ein Wolf setzt den Kot im gan­zen Revier ab, dabei wird zwar dar­auf geach­tet, dass man nicht direkt neben einem „Häufchen“ schla­fen muss, aber mehr auch nicht. Erik Ziemen hat über zwei Jahre hin­weg Wölfe und Hunde ver­glei­chend beob­ach­tet und zu die­sem Thema fest­ge­stellt, dass der Zwinger der Wölfe regel­mä­ßig kreuz und quer mit Kot beschmutzt war. In dem Pudelzwinger hin­ge­gen lag nur in einer Ecke des Zwingers Kot.

Die Pudel hat­ten sich also ein „Klo“ eingerichtet.

Warum das?
Nun, der Wolf hat in der Regel ein rie­si­ges Gebiet in dem er tage­lang unter­wegs ist. Wer macht sich da Gedanken über die Toilette?!

Ein Hund lebt dage­gen auf sehr beeng­tem Raum, da gilt es ein­fach mög­lichst wenig mit Kot zu „streu­en“, sonst hüpft man beim nächs­ten gemein­sa­men Spiel womög­lich noch hin­ein. Man kann hier gut sehen, wie sich Lebensbedingungen im Verhalten aus­wir­ken und fixie­ren, auch wenn sich die Bedingungen geän­dert haben (Wolf auf engem Gebiet gehal­ten). Das ist auch all­ge­mein der Grund, war­um Wildtiere kei­nen „Hang“ zur Reinlichkeit im Haus haben.Die Regel zum Markieren wird, wenn über­haupt, nur noch von ganz ursprüng­li­chen, pri­mi­ti­ven und selb­stän­di­gen Rassen ein­ge­hal­ten. Unsere Hunde sind da, wie gesagt, nicht sehr „gei­zig“.

Das Jagdverhalten
Wer kennt es nicht, das lei­di­ge Thema – uner­wünsch­tes Jagdverhalten des Hundes?!

Es ist des­halb so schwer in den Griff zu bekom­men, weil das Jagen ein uralter Trieb des Raubtieres Hund ist. Es ist so, dass der Hund nicht nur moto­risch reagiert, wenn er ein „Opfer“ sieht oder riecht, son­dern er gerät auch bio­che­misch in einen Ausnahmezustand, in dem sich u.a. sein Adrenalinspiegel erheb­lich hebt. Er hat in solch einer (für ihn völ­lig erfül­len­den) Situation kein biss­chen Konzentration mehr übrig, um den „wild schrei­en­den“ Besitzer zu hören. Wir fra­gen uns viel­leicht jetzt war­um der Hund das immer noch tut, wo er doch eigent­lich von uns ver­sorgt wird. Erstens haben wir Menschen gera­de das Jagdverhalten des Hundes erhal­ten, wenn auch ver­än­dert. Und zwei­tens ist es ein unheim­li­cher Adrenalinschub, den unse­re Hunde in sol­chen Situationen erle­ben. Wir Menschen machen auch Dinge die komisch anmu­ten mögen, nur um unse­ren Adrenalinhaushalt ein biss­chen auf Vordermann zu brin­gen. Haben sie sich schon ein­mal ernst­haft gefragt, was in Menschen vor sich geht, wenn sie sich ent­schlos­sen haben, an einem Gummiseil befes­tigt, von einer Brücke zu sprin­gen, die 100 Meter unter ihnen in einem Flussbett endet? Tja, schwer zu erklä­ren. Es ist nicht ein­mal mit dem natür­li­chen Bedürfnis satt wer­den zu wol­len zu erklä­ren. Nein, wir setz­ten sogar ganz bewusst unser Leben aufs Spiel.Zurück zum Thema. Das Jagdverhalten beim Wolf und Hund ist in ver­schie­de­ne Teile zu zer­le­gen, die man auch so bei unse­ren Hunden im Solitär- oder Sozialspiel beob­ach­ten kann. In der rich­ti­gen Reihenfolge wür­de es fol­gen­der­ma­ßen aussehen:

Bei unse­ren Hunden aber ist die­se Reihenfolge ziem­lich aus­ein­an­der gefal­len. Wir haben Jagdhunde gezüch­tet, die z.B. nur Orientierungsverhalten in Richtung Beute zei­gen. Wir haben Hunde gezüch­tet, die die Beute trei­ben bzw. het­zen aber nicht stel­len, packen oder gar töten. Wir haben Apportierhunde, die die Beute packen und zurück brin­gen ohne sie sich selbst zu Gemüte zu füh­ren, dafür feh­len wie­der alle ande­ren Teile. Was ich damit sagen will ist, dass das Jagdverhalten bei unse­ren Hunden nicht, oder nur ver­ein­zelt, noch kom­plett zu sehen ist. Die ein­zel­nen Elemente kön­nen beim Hund unab­hän­gig von ein­an­der auf­tre­ten, wobei man beim Wolf die kom­plet­te Palette beob­ach­ten kann. Es ist z.B. nicht sel­ten, dass man Hunde sieht, die wie wild hin­ter einem Reh her hech­ten, mit flie­gen­der Zunge und Ohren, vor Erregung krei­schend. Doch wehe wenn es ste­hen bleibt. Wenn der Hund dann eben nicht die Verhaltensinformation „packen!“ und „töten“ im gene­ti­schen Code hat, wird er erschreckt weg lau­fen, weil er ein­fach kei­ne Ahnung hat, was er jetzt tun soll.

In kei­nem ande­ren Bereich (außer mitt­ler­wei­le lei­der dem opti­schen) wur­de so viel vom Menschen züch­te­risch mani­pu­liert wie beim Ablauf des Jagdverhaltens.

Sozialverhalten im Vergleich Wolf/Hund
Das Sozialverhalten der Wölfe unter­schei­det sich, wie schon erwähnt, von dem der Hunde in eini­gen Punkten. Aber auch die Geschichten und Vorstellungen, die sich um den Wolf und sein Sozialverhalten ran­ken, sind manch­mal erstaun­lich kind­lich und antiquiert.

Oft wird gemeint, dass der Leitwolf ein rigo­ro­ser Despot ist, der sein Rudel mit einer gna­den­lo­sen Dominanz regiert. Das Schlimme an die­ser Annahme ist, dass vie­le unter uns den­ken, auch sie müss­ten sich so ihrem Hund gegen­über verhalten.

Der Mensch bestimmt die Richtung in die gegan­gen wird, der Hund hat sich danach zu rich­ten. Man geht zuerst durch die Tür, legt sich nie, wenn der Hund da ist, auf den Boden. Der Hund darf sich nicht auf einen setz­ten. Man muss dem Hund das Fressen weg­neh­men kön­nen, weil ein Leitwolf das angeb­lich auch jeder­zeit könn­te etc. pp. Sicher sind das Verhaltensweisen, die Dominanz demons­trie­ren und sind auch in dem einen oder ande­ren Fall nicht unwich­tig. Doch die­ses als prin­zi­pi­ell wich­ti­ges und rich­ti­ges Verhalten zu leh­ren, weil das in „frei­er Natur“ auch so geschieht, ist schlicht weg falsch und ent­täu­schend für den Hund. Der Wolf ist in vie­len Dingen ein durch und durch demo­kra­ti­sches Wesen.

Ein Leitwolf, d.h. der Rüde, ist von sei­nem demons­trier­ten Aggressionspotential her der fried­lichs­te Wolf im gan­zen Rudel. Er ist dar­an inter­es­siert, dass Ruhe, Ordnung und unbe­dingt eine gute Stimmung im Rudel herr­schen, denn nur so kann er sei­ne Position hal­ten. Wenn die Stimmung im Rudel dau­er­haft aggres­siv und gereizt ist, wird er ner­vös und ver­sucht den Störfaktor zu ent­schär­fen. Er ver­hält sich sou­ve­rän. In der Regel hält er sich aus Rangkämpfen sei­ner Untergebenen bis zu einem gewis­sen Punkt heraus.

Der Rüde mit dem meis­ten demons­trier­ten Aggressionspotential ist der so genann­te Beta-Rüde. Also der Wolf, der eigent­lich auf die Alphastellung spe­ku­liert. Er ver­hält sich dem Alpharüden gegen­über pro­tes­tie­rend, defen­siv – aggres­siv. Außerdem ist er stän­dig damit beschäf­tigt den Sub-domi­nan­ten Tieren „eine auf den Deckel zu geben“, damit die bloß nicht auf die Idee kom­men sei­ne u.U. hart erkämpf­te Stellung zu kip­pen. Die sub­do­mi­nan­ten Tiere bil­den den Grossteil des Rudels, wel­ches sich häu­fig aus dem Wurf des letz­ten und teil­wei­se des vor­letz­ten Jahres bil­det. Sie haben unter­ein­an­der eine Rangfolge fest­ge­legt und neh­men ins­ge­samt die letz­te „Position“ im Rudel ein. Hinter ihnen ist nur noch der even­tu­el­le „Prügelknabe“, der Blitzableiter für alle auf­ge­stau­ten Aggressionen jeder­manns ist. Er hat kei­ner­lei Rechte und in der Regel wird er das Rudel nach einem Zeitraum, der durch die Häufigkeit und die Heftigkeit der Angriffe vari­ie­ren kann, ver­las­sen. Dabei wird kein Unterschied zwi­schen männ­li­chen und weib­li­chen Prügelknaben gemacht. Diese Prügelknaben wer­den oft hem­mungs­los ange­grif­fen. Sonstige Konflikte mit ande­ren Rudelmitgliedern wer­den aber laut und mit viel „Getöse“ geklärt, doch viel pas­sie­ren wird nicht. Allerdings wird bei einem ernst­haf­ten Angriff auf, z.B. den Prügelknaben, kein Mucks von sich gege­ben. Es fin­det alles völ­lig still statt bis auf das hef­ti­ge Atmen der Tiere. Hund/Wolf ist voll dar­auf kon­zen­triert sein Gegenüber mög­lichst erheb­lich zu ver­letz­ten und wenn er sich nicht in Sicherheit brin­gen kann, auch zu töten. Keine Demutsgeste wird in einem Ernstkampf erhört, denn hier geht es um Leben und Tod.

Deshalb ist es auch halb so wild, wenn zwei Hunde mit lau­ten „Gekreische“ auf­ein­an­der los­ge­hen. Denn das haben sie von ihrem Urahn über­nom­men. Die Formel, je lau­ter des­to harm­lo­ser die Auseinandersetzung, greift in der Regel auch bei unse­ren Hunden.

Sexualverhalten und Welpenaufzucht
Wie schon ange­schnit­ten gibt es eine geschlecht­li­che Trennung der Rangfolge. Das Alphaweibchen, das sich oft viel län­ger hal­ten kann als der Alpharüde, koaliert näm­lich, recht­zei­tig zum Wechsel der männ­li­chen Macht, mit dem Betarüden und stößt gemein­sam mit ihm den älte­ren Wolf vom Thron. Der Gestürzte Alpha kann dabei zum oben beschrie­be­nen Prügelknaben mutie­ren und muss in der Regel das Rudel ver­las­sen. Der Alphawölfin beschert wei­ter­hin die gesi­cher­te weib­li­che Alphastellung im Rudel.

Die Wolffähen sind wesent­lich kom­pro­miss­lo­ser und aggres­si­ver unter­ein­an­der als die Rüden. Für die Alphawölfin ist es näm­lich wich­tig sämt­li­che Rudelmitglieder für die Versorgung ihrer Welpen ein­zu­span­nen. Je mehr Würfe in einem Rudel auf­ge­zo­gen wer­den wür­den, des­to unwahr­schein­li­cher, dass die Alpha-Welpen durch­kä­men. Also wird zum Winter hin jedes weib­li­che Wesen von der Alphawölfin aus dem Rudel ver­bannt, oder bewacht und unter­drückt, so dass sie vor Stress nicht in die jähr­li­che Ranz kommt. Im Februar ist es bei der Alphawölfin soweit, sie beginnt in die Ranz zu kom­men und sämt­li­che Rüden ver­su­chen ihr Glück. In der „Hauptzeit“ darf das aber nur der Alphawolf. Entweder wer­den die ande­ren von ihm per­sön­lich oder von der Alphawölfin weg­ge­bis­sen. Die lan­ge Vorbereitungszeit des Winters auf die Paarungszeit im Februar ist des­halb so wich­tig, weil die Wolfrüden nicht das gan­ze Jahr „im Saft ste­hen“. Ihre Fruchtbarkeit wird erst durch die abge­son­der­ten Duftstoffe des Wolfsweibchens angeregt.

Erstaunlich dabei ist aber, dass sich die Alphawölfin in den Nebenzeiten (also die Zeit zu Beginn oder zum Ende der Ranz, in der die Wölfin nicht frucht­bar ist) von ande­ren Wolfsrüden als dem Alphawolf des Rudels decken lässt.

Warum tut sie das?
Sie tut es des­halb, weil sich dann mehr männ­li­che Wölfe für den Wurf ver­ant­wort­lich füh­len und für­sorg­lich sind, d.h. die Überlebenschance des Wurfes poten­ziert sich.

Mit ihren „Konkurrentinnen“ ist die Alphawölfin rigo­ros. Sollte doch eine Wölfin zum „Zuge“ gekom­men sein und tra­gen, wird der Wurf von der Alphawölfin getö­tet. Es ist nur sehr, sehr sel­ten, dass meh­re­re Würfe in einem Wolfsrudel auf­ge­zo­gen wer­den. Alles in der Natur ori­en­tiert sich dar­an, dass der Stärkste über­lebt und so bio­lo­gisch die Erhaltung der Art durch den Stärksten gesi­chert wird. Das klingt grau­sam, ist aber völ­lig nor­mal und gesund.

Die geschlecht­lich getrenn­te Rangordnung exis­tiert zwar auch noch bei unse­ren Hunden, doch gibt es vie­le Querverbindungen. Deshalb gibt es zwi­schen­ge­schlecht­li­che Rangeleien viel häu­fi­ger bei den Hunden als bei den Wölfen. Für unse­re Hündinnen gibt es kei­ne spe­zi­el­le Zeit, in der sie läu­fig sind. Sie sind es zwei­mal im Jahr und die Rüden sind das gan­ze Jahr über frucht­bar. Es ist auch durch die Obhut des Menschen nicht mehr nötig für die Hunde, die Jahreszeiten aus­zu­nut­zen. Die Hündinnen sind nicht wäh­le­risch in Sachen Rüden und wer kommt, der kann. Die Hündin ist nicht dar­an inter­es­siert nur den Alpharüden Vater ihrer Welpen wer­den zu las­sen. Der Alpharüde passt zwar auf, dass kein Nebenbuhler zum Zuge kom­men kann, ist aber lan­ge nicht so ernst­haft bei der Sache, wie das der Alphawolf ist. Ursache ist aber der feh­len­de Selektionsdruck. Auch hier haben sich also die kom­pli­zier­ten Spuren des Wolfes völ­lig verloren.

Die Bindung im Wolfsrudel ist enorm, und zwar Rang unab­hän­gig. Will man ein Alphatier aus dem Rudel ent­fer­nen ver­sucht es genau­so beim Rudel zu blei­ben, wie ein rang­nied­ri­ge­res Tier. Auf Spaziergängen mit sei­nen zah­men Wölfen hat Ziemen fol­gen­den Versuch gemacht:

Er ist mit zwei Gruppen von Wölfen und Menschen im 180° Winkel aus­ein­an­der gegan­gen und hat einen oder zwei wei­te­re Wölfe in der Mitte zurück gelas­sen. Die ers­te Gruppe bestand aus dem Leittier und Ziemen selbst. Die zwei­ten Gruppe bestand aus 5 sub­do­mi­nan­ten Tieren und deren Führer. Die Wölfe lie­fen alle aus­nahms­los zur grö­ße­ren Gruppe hin. Der von Ziemen geführ­te Alphawolf wehr­te sich erheb­lich und war kaum zu hal­ten. Er woll­te wie­der zu sei­nem Rudel zurück.

Je grö­ßer eine Gruppe Wölfe ist (bis zu einer Maximalzahl, die vari­ie­ren kann und sich nach den Lebensbedingungen rich­tet) des­to grö­ßer ist die Überlebenschance der Tiere. Es ist also siche­rer, für einen ein­zel­nen Wolf oder eine klei­ne Gruppe, sich für eine grö­ße­re Gruppe zu ent­schei­den, als für einen ein­zel­nen Alphawolf. Und was wäre ein Alphawolf ohne sein Rudel? Natürlich ist er bemüht bei sei­nem Rudel zu blei­ben, denn nur dort kann er sei­ne Alphastellung leben.

Eine inter­es­san­te Beobachtung war noch, dass die männ­li­chen Tiere der Gruppe eine wesent­lich grö­ße­re Maximaldistanz zum Rudel „ver­kraf­ten“ konn­ten und teil­wei­se auch such­ten, als die weib­li­chen Tiere.

Unsere Hunde bin­den sich anders. Ein Hund geht eine enge Beziehung zum Menschen ein. Er sucht sich meis­tens einen Menschen aus der Familie her­aus, an den er sich beson­ders bin­det. Dies ist das Erfolgsrezept der Hunde. So haben sie über Jahrhunderte ihr Überleben sichern kön­nen. Diesem Menschen folgt er und zwar unab­hän­gig von der Gruppengröße. Was aller­dings recht ähn­lich ist, ist, dass sich unse­re Rüden bei einem Spaziergang wei­ter ent­fer­nen als die Hündinnen. Also ist auch bei unse­ren Hunden die Maximaldistanz zum Rudel, bzw. zur Bezugsperson, geschlechts­spe­zi­fisch unterschiedlich.

Welpen
Eine wich­ti­ge Erkenntnis der Gegenwart ist, dass Welpen bis zu einem gewis­sen Zeitpunkt kom­mu­ni­ka­tiv nur sen­den und nicht emp­fan­gen kön­nen. Welpen kön­nen knur­ren, bel­len, Freude und Erregung zei­gen etc.. Doch wenn ihnen die­se Signale von ande­ren ent­ge­gen­ge­bracht wer­den, ver­ste­hen sie nicht deren Bedeutung. Dies wird erst durch Erfahrungen möglich.

Man kann die­ses Verhalten gut mit dem unse­rer Babys ver­glei­chen. Sie kön­nen wei­nen, doch wenn man selbst weint, ver­ste­hen sie die Bedeutung nicht. Viele Gesten und Mimiken sind ihnen fremd und kön­nen teil­wei­se Angst hervorrufen.Wolfswelpen genie­ßen rudel­in­tern bis zu einem Alter von ca. 4 Monaten „Narrenfreiheit“. Die adul­ten Wölfe gestat­ten ihnen alles, wenn es ihnen zuviel wird gehen sie. Die Welpen beneh­men sich ihnen gegen­über oft wie Rüpel. Sie bei­ßen unge­hemmt in Schwanz und Ohren, so dass die Alten teil­wei­se auf­schrei­en. Keiner der Alten wür­de ihnen das aber ver­übeln oder sich weh­ren. Deshalb ist es wich­tig, dass Gleichaltrige im Rudel sind, um sich gegen­sei­tig die (Schmerz-) Grenzen klar zuma­chen. Der Welpe lernt von ande­ren Welpen, dass ein zu fes­ter Biss, wel­cher das Quietschen des Spielpartners zur Folge hat, meist dazu führt, dass der ande­re sich auf den Schmerz hin wehrt. Auch wer­den unter den Gleichaltrigen stets alle Verhaltenselemente geübt: Mal die Rolle des Dominanteren, mal die des Devoten, die des Opfers, des Täters, Jägers und die Rolle des Gejagten. So lernt der Welpe eine brei­te Palette des Sozialverhaltens und der inner­art­li­chen Kommunikation ken­nen. Als erwach­se­ner Hund/Wolf ver­steht er viel mehr von dem was ihm von einem ande­ren Hund/Wolf ent­ge­gen­ge­bracht wird, auch wenn der Sender selbst über weit weni­ger Verständnis der Hundesprache ver­fügt. Beim erwach­se­nen Hund führt eine sozia­le Isolation als Welpe, d.h. die feh­len­de Möglichkeit mit ande­ren Welpen und Hunden ver­schie­de­nen Alters zu spie­len, dazu, dass er nur sen­den kann und nichts oder eben nur sehr wenig von dem ver­steht, was der ande­re „sagen“ will. Deshalb reagie­ren Hunde dann oft mit Angst oder Aggressionen.

Erst wenn die Welpen ca. 4 Monate alt sind wer­den sie von den Juvenilen des Vorjahres und adul­ten Tieren ins Rudel ein­ge­glie­dert. Die Erziehung durch die ande­ren Rudelmitglieder beginnt zwar schon mit der 6.–8. Woche, doch nun müs­sen auch sie sich unter­wer­fen. Die erzie­he­ri­schen Mittel der erwach­se­nen Wölfe wer­den im Laufe der Zeit, bei Nichteinhaltung eines Verbotes, immer der­ber und ein­deu­ti­ger. Der klas­si­sche Welpenschutz gilt übri­gens nur rudel­in­tern. Wir müs­sen uns nicht wun­dern, wenn wir einen Hund antref­fen, der sich auch wild auf einen Welpen stürzt, weil er ihn beläs­tigt. Das ist genau­so nor­mal wie ein adul­tes Tier, das sehr vor­sich­tig im Umgang mit Welpen ist. Es ist eben bei­des bei unse­ren Hunden mög­lich. Ein frem­der Wolf wür­de auf einen rudel­frem­den Welpen dage­gen sehr ein­deu­tig reagie­ren, er wür­de ihn töten.

Fazit
Es gibt bei unse­ren Hunden vie­le Unterschiede zum Wolf, die auch völ­lig logisch und erklär­bar sind. Heute ist man zum Glück sehr dar­an inter­es­siert das Verhalten von Wolf und Hund zu erfor­schen. Obwohl der Hund das ältes­te Haustier des Menschen ist, ist er lan­ge nicht so gut erforscht, wie vie­le ande­re Tierarten, die uns erst seit viel kür­ze­rer Zeit umge­ben. Auch Verhaltensunterschiede der Hunderassen unter ein­an­der wer­den heu­te unter­sucht. Und nicht sel­ten sorgt allein eine völ­lig unter­schied­li­che Optik der Hunde für gro­ße Missverständnisse unter­ein­an­der. Wie kann z.B. ein haa­ri­ger Bobtail von ande­ren Hunden pro­blem­los ver­stan­den wer­den? Das Gesicht und der gan­ze Körper des Bobtails sind bewollt, der Schwanz exis­tiert nicht. Mimik und Gestik sind dadurch soweit ein­ge­schränkt, dass sie nicht mehr klar als wich­ti­ges Element der Kommunikation genutzt wer­den kön­nen. Es ist nicht unwahr­schein­lich, dass es wegen sol­cher Defizite zu Missverständnissen zwi­schen Hunden kom­men kann.

Trotz jun­ger Forschung gibt es schon vie­le neue Erkenntnisse, die auch in der Ausbildung unse­rer Hunde gut ver­wen­det wer­den kön­nen. Aber auch für den „Otto Normalverbraucher“ ist es wich­tig nicht an alten Mythen und Legenden über „den gro­ßen bösen“ Wolf fest­zu­hal­ten und ihn, so wie wir den Wolf sehen, als Schablone für unse­re Hunde zu miss­brau­chen. Das schafft Probleme. Und vie­le Probleme, die wir mit unse­ren Hunden haben, resul­tie­ren aus fal­schem Verhalten von uns Menschen.

© Ilona Schippers
www​.ach​tung​-hund​.de

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