Es ist ganz normal, dass unsere Hunde viele Verhaltenselemente, die der Wolf dringend nötig hat, überhaupt nicht mehr oder sehr abgeschwächt zeigen. Die größten Unterschiede von Hunden und Wölfen kann man im Sozialverhalten beobachten. Für den Wolf ist die innerartliche Kommunikation lebenswichtig. Ohne Abstimmung untereinander stellt sich kein Jagderfolg ein.
Der Hund wird heute, und schon Jahrhunderte lang, nur noch selten im Rudel gehalten, sein Futter bekommt er vom Menschen, deshalb sind ihm die komplizierten Fähigkeiten im sozialen Bereich großteils abhanden gekommen. Wenn man es menschlich und negativ ausdrücken will, dann könnte man sagen, dass unsere Hunde verwöhnte und unreife Einzelkinder sind. Wenn man es positiv ausdrückt ist es wohl so, dass der Hund es geschafft hat, sich über Jahrtausende einen bequemen Platz an unserer Seite zu sichern und von unserem Fortschritt gehörig zu „profitieren“.
Dass er dabei fast seine Identität verloren hat, weil er als Kindes- oder Partnerersatz, als vierbeiniges Familienmitglied, oder Prestige- und Dekorationsobjekt, als Trimm-dich, Sexual‑, Spiel- oder Sportpartner, als Aggressionsableiter oder Schmusebär, als Sündenbock, oder einfach als guter Freund herhalten muss, ist zwar oft traurig, aber im Zuge der Evolution eben normal.
Ich möchte hier ein paar markante Unterschiede darstellen und, so weit möglich, erklären.
Individualdistanz beim Wolf und Hund
Ein gravierender Unterschied zwischen den beiden Verwandten ist z.B. die Individualdistanz, die sich erheblich von einander unterscheidet. Ein adulter Wolf liegt allein, egal ob es schneit oder regnet, egal wie kalt oder warm es ist. Ein Hund hingegen liegt oft im Körperkontakt mit anderen Rudelmitgliedern. Je kälter es ist, umso eher wird die Nähe des anderen gesucht. Dabei lässt sich auch ein ranghohes Mitglied, d.h. der Leitrüde, „herab“, sich mit einem rangniedrigeren Tier gegenseitig zu wärmen, oder in Ruheposition einfach beieinander zu liegen.
Es ist also nicht richtig, dass der Hund nicht auf einer Ebene mit dem Menschen schlafen soll, weil das die Wölfe auch so tun. Das bedeutet aber auch nicht, dass man es tun muss.