Risikoabwägung für sen­si­ble Patienten von Marion Thömmes

ZeckeQuierschied. Zeckenzeit bedeu­tet Infektionszeit. Oft wird ange­nom­men, dass Zecken nur von Frühling bis Herbst aktiv sind. Aber Zecken sind das gan­ze Jahr über aktiv, ins­be­son­de­re bei mil­den Temperaturen. Die höchs­te Aktivität haben Zecken nor­ma­ler­wei­se von März bis November. Besonders im Frühling und Herbst, wenn es feucht und nicht zu heiß ist, sind sie sehr aktiv. Fallen die Temperaturen unter etwa sie­ben bis acht Grad Celsius, fal­len Zecken in eine Art Winterstarre. Steigen die Temperaturen aber im Winter über die­sen Wert, wer­den sie wie­der aktiv.

Mit der höhe­ren Aktivität der Zecken steigt auch das Risiko für durch sie über­tra­ge­ne Erkrankungen wie Borreliose, Anaplasmose oder Babesiose. Während robus­te Hunde vie­le gän­gi­ge Präparate gut ver­tra­gen, stellt sich für all­er­gi­sche oder ernäh­rungs­sen­si­ble Tiere die Frage: Was schützt zuver­läs­sig – und ist gleich­zei­tig verträglich?

Viele Hundebesitzer ste­hen vor einem Dilemma: Einerseits sol­len ihre Tiere mög­lichst effek­tiv vor Krankheitserregern geschützt wer­den. Andererseits ber­gen vor­wie­gend che­mi­sche Mittel das Risiko von Nebenwirkungen, ins­be­son­de­re bei Hunden mit Atopien (Neigung zu einer ver­stärk­ten all­er­gi­schen Reaktion auf nor­ma­ler­wei­se harm­lo­se Substanzen oder Reize aus der Umwelt), chro­ni­schen Hautproblemen, Unverträglichkeiten und neu­ro­lo­gi­schen Erkrankungen. Diese Hunde benö­ti­gen indi­vi­du­ell abge­stimm­te Lösungen.

Chemischer Zeckenschutz –
wirk­sam, aber nicht nebenwirkungsfrei

Die schul­me­di­zi­nisch ein­ge­setz­ten Präparate las­sen sich grob in zwei Gruppen einteilen:

1. Repellierende Mittel
etwa Spot-On-Präparate oder Halsbänder mit den Wirkstoffen Permethrin, Deltamethrin, Flumethrin (aus der Gruppe der Pyrethroide).

  • Wirken als Kontaktgift: Sie blo­ckie­ren das Nervensystem der Zecke noch vor dem Blutsaugen.
  • Lagern sich in Haut und Fettgewebe ein, ein teil­wei­ser Übertritt in die Blutbahn ist möglich.
  • Häufige Nebenwirkungen: Hautrötungen, Juckreiz, loka­le Reizungen, sel­ten auch Unruhe oder neu­ro­lo­gi­sche Symptome wie Zittern.

2. Nicht-repel­lie­ren­de Mittel (sys­te­mi­sche Akarizide/Insektizide)
wie Bravecto®, NexGard®, Simparica®, mit Wirkstoffen wie Fluralaner, Afoxolaner, Sarolaner.

  • Werden oral auf­ge­nom­men (Kautabletten) und sys­te­misch verstoffwechselt.
  • Zecken ster­ben erst nach dem Blutsaugakt, eine Übertragung von Krankheitserregern kann in die­sem Zeitraum trotz­dem erfolgen.
  • Die Tabletten ent­hal­ten oft Aroma- oder Trägerstoffe (z. B. Hühnereiweiß), die für Allergiker pro­ble­ma­tisch sein können.

Klinischer Hinweis
Zecken lauern in Wäldern, hohem Gras oder im Gebüsch auf potenzielle WirtHunde mit Hauterkrankungen, ato­pi­scher Dermatitis (chro­nisch jucken­de Hautentzündung), chro­ni­scher Gastritis (Magenschleimhautentzündung) oder IBD (Inflammatory Bowel Disease) und neu­ro­lo­gi­schen Erkrankungen zei­gen häu­fi­ger Unverträglichkeiten. Eine gründ­li­che Anamnese, inklu­si­ve vor­he­ri­ger Reaktionen auf Medikamente oder Futtermittel, ist vor Anwendung drin­gend zu emp­feh­len. Im Zweifelsfall kann eine Testgabe in redu­zier­ter Dosis sinn­voll sein.

Natürliche Alternativen –
weni­ger Risiko, aber auch weni­ger Sicherheit?

Zahlreiche pflan­zen­ba­sier­te Mittel bie­ten eine poten­zi­ell ver­träg­li­che­re Zeckenabwehr – ihre Wirksamkeit ist jedoch indi­vi­du­ell unter­schied­lich und zu Beginn auch weni­ger zuver­läs­sig als che­mi­sche Mittel. Dennoch kön­nen sie, vor allem in Kombination, eine prak­ti­ka­ble Lösung für emp­find­li­che Tiere dar­stel­len. Viele Tierhalter berich­ten von posi­ti­ven Erfahrungen, ins­be­son­de­re bei kon­se­quen­ter Anwendung.

Beispiele für natür­li­che Zeckenschutzmittel

Mittel Anwendung Hinweise für sen­si­ble Tiere
Kokosöl Fell, Futter Gut ver­träg­lich, ent­hält Laurinsäure mit natür­li­chem Schutz.
Schwarzkümmelöl Fell, Futter, Wasser Immunstärkend, aber nicht bei Leberproblemen verwenden.
Andirobaöl Nur äußer­lich Hautfreundlich, kei­ne bekann­ten Unverträglichkeiten.
Zistrose (Cistus) Innerlich mög­lich Unterstützt das Immunsystem, wirkt entzündungshemmend.
B‑Vitamine Innerlich Unterstützen die Hautbarriere – Dosierung bei Allergikern beachten.
Natürliche Pyrethrine Äußerlich Repellierend, bes­ser ver­träg­lich als syn­the­ti­sche Varianten.

Viele die­ser Präparate sind als Öl, Kapsel oder Tropfen erhält­lich. Die Wirkung ist oft erst nach regel­mä­ßi­ger Anwendung über meh­re­re Tage spür­bar. In der Praxis bewährt sich häu­fig eine Kombination, etwa Kokosöl äußer­lich plus Zistrose inner­lich, um Wirkung und Verträglichkeit zu optimieren.

Infektionsrisiko nach Zeckenstich – Zeitfenster beachten
Ein schnel­ler Zeckenbiss führt nicht sofort zur Infektion – jede Krankheit hat ein bestimm­tes Übertragungszeitfenster. Die fol­gen­de Tabelle zeigt, wie viel Zeit im Ernstfall bleibt:

Erkrankung Überträger Übertragungszeit nach Stich
Borreliose Ixodes rici­nus 12 bis 48 Stunden
Anaplasmose Ixodes rici­nus 4 bis 24 Stunden
Ehrlichiose Rhipicephalus san­gui­neus 3 bis 24 Stunden
Babesiose Dermacentor/Rhipicephalus 12 bis 72 Stunden
Leishmaniose Sandmücke (Phlebotomus) Sofort beim Stich!
FSME Ixodes rici­nus Sofort beim Stich!

Therapeutischer Impuls
In bekann­ten Endemiegebieten (z. B. Mittelmeerraum, FSME-Zonen) ist es wich­tig, mög­lichst repel­lie­rend zu arbei­ten, che­misch oder natür­lich. Nutzen und Risiko müs­sen da sorg­fäl­tig abge­wägt wer­den – beson­ders bei chro­nisch kran­ken Hunden, bei denen eine durch Zecken über­tra­ge­ne Infektion schwer­wie­gen­de Folgen haben könnte.

Fazit: indi­vi­du­el­le Entscheidung statt Pauschallösung
Die Auswahl der pas­sen­den Zeckenprophylaxe beim Hund ist eine indi­vi­du­el­le Entscheidung. Für sen­si­ble und kran­ke Tiere ist das Wissen um mög­li­che Risiken und Alternativen ent­schei­dend. Pauschale Empfehlungen sind wenig hilf­reich – gefragt ist eine fun­dier­te, tier­schutz­ge­rech­te Abwägung von Nutzen und Risiko.

Tipp für die Praxis
Ein „Zeckenschutz-Pass“ kann hel­fen: Darin doku­men­tie­ren Halter, wel­che Mittel ein­ge­setzt wur­den, wel­che Reaktionen auf­tra­ten und wel­che Kombinationen sich bewährt haben. Auch ergän­zen­de Maßnahmen wie täg­li­ches Absuchen, Einsatz von Zeckenzangen oder Kontrolluntersuchungen beim Tierarzt kön­nen hier notiert wer­den. Das stärkt die Compliance und schafft Sicherheit – für Tier und Mensch.

Gesunde Hunde – trotz Zeckenzeit
Mit Wissen, Geduld und der rich­ti­gen Beratung bleibt Ihr Hund best­mög­lich geschützt – auch bei sen­si­bler Gesundheit.

Zur Autorin
MarionThoemmesMarion Thömmes ist Tierheilpraktikerin, Phytotherapeutin und Verhaltenstherapeutin für Hunde mit einer eige­nen Hundeschule. Als Tierheilpraktikerin arbei­tet sie ganz­heit­lich, das heißt, sie betrach­tet und behan­delt das Tier als Ganzes und nicht nur sei­ne Krankheitssymptome. Mit Hilfe der Bioresonanzanalyse sucht sie bei Krankheiten und Störungen nach den Ursachen und hilft so sowohl ihren vier­bei­ni­gen Patienten als auch deren Haltern. Da sie seit eini­gen Jahren Verhaltenstherapeutin für Hunde ist, hat sie sich bewusst für eine mobi­le Tierheilpraxis ent­schie­den – denn das Verhalten der Tiere lässt sich in deren gewohn­ten Umgebung deut­lich bes­ser beob­ach­ten und beur­tei­len. Oberste Priorität als Verhaltenstherapeutin und Inhaberin der Hundeschule Schnüffelnase ist für Marion Thömmes ein ent­spann­tes Miteinander von Mensch und Hund. Dies kann nur durch gegen­sei­ti­ges Vertrauen, Verständnis und Respekt erreicht wer­den. Dazu sind Ruhe und Geduld, Einfühlungsvermögen und Freude im Umgang mit unse­ren Vierbeinern uner­läss­lich. Kontakt: www​.hun​de​schu​le​-quier​schied​.de.

Quellen
Eisen (2018), CDC
Eisen L. (2018): Pathogen trans­mis­si­on in rela­ti­on to dura­ti­on of attach­ment by Ixodes sca­pu­la­ris ticks. Ticks and Tick-bor­ne Diseases. CDC – Centers for Disease Control and Prevention
Eisen (2018), Little (2010) s.o. Little SE (2010): Ehrlichiosis and Anaplasmosis indogs. Veterinary Clinics of North America.
WHO, DGS WHO/Leishmaniasis fact sheet DGS (Deutsche Gesellschaft für Schädlingsbekämpfung): Sandmücken und Leishmaniose
Schein (2004), ESCCAP Schein E. (2004): Babesiose des Hundes – aktu­el­le Aspekte. Tierärztliche Praxis.
ESCCAP Guidelines (European Scientific Counsel, Companion Animal Parasites
Parasitus Ex e.V.