Eine Tierphysiotherapeutin stellt Übungen für draußen und drinnen vor
Hannover. Genau wie wir Menschen können auch unsere Haustiere orthopädische Probleme entwickeln. Verletzungen, Fehlbelastungen und altersbedingte Abnutzungserscheinungen können Schmerzen in Muskeln und Gelenken verursachen. Verspannungen, Blockaden und krankhafte Veränderungen der Gelenksubstanz gehören gerade bei älteren Tieren oft zum Alltag. Leider zeigen viele Hunde Schmerzen erst dann an, wenn die zugrundeliegende Erkrankung schon weit fortgeschritten ist. Dann springen sie scheinbar plötzlich nicht mehr ins Auto, zögern beim Treppensteigen oder haben Mühe beim Aufstehen. Allerdings haben Hundehalter Möglichkeiten, dem entgegenzuwirken. Gezielte Übungen können, wenn sie über einen längeren Zeitraum regelmäßig durchgeführt werden, den Bewegungsapparat unserer Tiere stärken und so dafür sorgen, dass sie möglichst lange beschwerdefrei leben. Die Agila Haustierversicherung hat die Tierphysiotherapeutin Dr. Antje Wittkopp getroffen und nachgefragt, wie ein solches Fitnessprogramm für den Hund aussehen könnte.
Antje Wittkopp hat ihre Praxis in Stadthagen im Schaumburger Land, etwa 40 Kilometer westlich von Hannover gelegen. Als wir sie besuchen, ist gerade ihr Patient ‚Lasse’ da. Der Beaglerüde ist fast zwölf Jahre alt, wirkt jedoch auf den ersten Blick agil und munter. Er ist nicht aufgrund einer akuten Erkrankung oder Verletzung da. „Viele meiner Patienten kommen allerdings im Akutfall, zum Beispiel nach einer Kreuzband-Operation. Weil Tierversicherungen wie Agila auch die Kosten für die physiotherapeutische Versorgung übernehmen, kommen immer mehr Tiere in den Genuss einer solchen Behandlung.“ ‚Lasses’ Frauchen jedoch käme seit einigen Jahren alle vier bis sechs Wochen mit ihm in die Praxis, um den alternden Hund prophylaktisch behandeln zu lassen, erzählt die Physiotherapeutin. „Dann löse ich kleinere Blockaden im Rücken und lasse ihn auf dem Unterwasserlaufband trainieren, um seine Muskulatur zu erhalten und Verschleißerkrankungen wie einer Arthrose vorzubeugen.“ Zu ‚Lasses’ guter Fitness trage jedoch auch bei, dass sein Frauchen regelmäßig selbst mit ihm trainiere, ergänzt Antje Wittkopp. „Schon dreimal täglich fünf Minuten Training machen einen riesigen Unterschied. Es gibt viele Übungen, die auch für Laien leicht durchführbar sind und die zudem gut in den täglichen Spaziergang eingebunden werden können.“
Dazu gehört die Podestübung, die uns Antje Wittkopp mit ihrem eigenen Hund ‚Friedo’ zeigt. Der Pudelmischling stellt die Vorderpfoten auf ein kleines Podest. Nachdem er einige Sekunden gestanden hat, lässt sein Frauchen ihn zusätzlich einige Male Sitz machen und wieder aufstehen, wobei die Vorderpfoten auf dem Podest stehen bleiben müssen. „Die Steh-Übung eignet sich für ausnahmslos jeden Hund“, erklärt Antje Wittkopp. „Selbst nach Operationen kann sie durchgeführt werden, sobald der Hund fit genug für die physiotherapeutische Behandlung ist. In Kombination mit dem Sitz ist die Übung nur für Hunde ohne gravierende Einschränkungen in Knie und Hüfte geeignet. Die Podestübung trainiert das Gleichgewicht und verschiedene Muskelgruppen der Hinterhand. Anstatt eines Podestes können auch dicke Bücher oder Treppenstufen genutzt werden. Wichtig ist, mit einer sehr kleinen Erhöhung zu starten und sich langsam zu steigern.“
Ebenfalls gut für die Hinterhand ist die Streckübung, die ‚Friedo’ und ‚Lasse’ uns gemeinsam zeigen. Hierbei lockt die Physiotherapeutin die beiden Rüden mit Leckerlis und bringt sie so dazu, sich auf die Hinterbeine zu stellen und an einem Baumstamm entlang richtig zu strecken. „Neben der Hinterhandmuskulatur, die bei Hunden mit Knie- oder Hüftproblemen oft verkürzt ist, profitiert auch die Wirbelsäule sehr von dieser Übung“, erläutert Antje Wittkopp. „Es wird Platz zwischen den Wirbeln geschaffen, was die Hunde als sehr angenehm empfinden. Wenn das Tier jedoch akute Rückenprobleme hat, sollte die Streckung nicht zu weit erfolgen.“
Wer bereit ist, etwas Geld in die Hundefitness zu investieren, dem empfiehlt Antje Wittkopp die Anschaffung eines aufblasbaren Balancekissens. „Es gehört zu meinen liebsten Trainingsgeräten für zu Hause“, schwärmt die Fachfrau. „Wenn der Hund es schafft, eine Weile mit allen vier Pfoten gerade auf dem Kissen zu stehen, werden nahezu alle Muskelgruppen beansprucht. Wichtig ist, wie bei allen Übungen, es langsam angehen zu lassen. Am Anfang reichen ein paar Sekunden. Sobald der Hund beginnt zu zittern, sollte eine Pause eingelegt werden.“ Beagle ‚Lasse’ ist zunächst skeptisch, folgt dann aber dem Leckerli in der Hand seiner Physiotherapeutin und schafft es nach ein paar Fehlversuchen tatsächlich, sich eine Weile auf dem Kissen zu halten.
Für den täglichen Spaziergang im Wald hat Antje Wittkopp weitere Fitnesstipps parat. „Auf umgestürzten Baumstämmen lässt es sich gut balancieren. Heruntergefallene dickere Äste kann man jeweils mit einer Schrittlänge Abstand zueinander parallel hinlegen und den Hund langsam darüber gehen lassen. Das fördert die Konzentration, die Balance und die Beweglichkeit der Gelenke.“
Für aktive und gesunde Hunde eignet sich gerade im Sommer zudem das Schwimmen, das sich positiv auf die Kraft und Ausdauer des Hundes auswirkt. Wichtig ist dabei, auf eventuelle Blaualgenwarnungen am Gewässer zu achten. Fließgewässer sollten wegen der Gefahr von Unterströmungen gemieden werden. Außerdem empfiehlt Antje Wittkopp das Anlegen einer Schwimmweste. „Auf diese Weise bleibt der Rücken gerade, und der Nacken wird stabilisiert.“ Aber auch beim Schwimmen gelte: Lieber mit kurzen Einheiten starten. „Es geht beim Thema Hundefitness nicht um Leistung, sondern um Beständigkeit. Hunde, die regelmäßig maßvoll trainieren, haben gute Chancen, möglichst lange ein schmerzfreies Leben zu führen.“