Vorteile und Grenzen des vir­tu­el­len Tierarztbesuchs

Düsseldorf. Die Digitalisierung macht auch vor der Tiermedizin nicht halt: Immer mehr Tierärzte in Deutschland bie­ten Online-Sprechstunden an. Die Entwicklung bringt für Tierhalter und ihre Schützlinge eini­ge Vorteile mit sich. Doch nicht jeder Tierarztbesuch kann nur vir­tu­ell stattfinden.

„Ein wesent­li­cher Vorteil der Online-Sprechstunde, wir spre­chen hier von Telemedizin, ist die Entlastung des tier­ärzt­li­chen Notdienstes. Wenn bereits vor­ab fest­ge­stellt wer­den kann, dass es auch reicht, abzu­war­ten und etwa einen Termin am nächs­ten Tag aus­zu­ma­chen, dann kann sich der Notdienst auf die aku­ten Fälle kon­zen­trie­ren“, erklärt Dr. Karl-Heinz Schulte, ehe­ma­li­ger zwei­ter Vizepräsident und Vorsitzender des Arbeitskreises Telemedizin im Bundesverband prak­ti­zie­ren­der Tierärzte (bpt) und Mitglied des Vorstands der Tierärztekammer Nordrhein. Es fal­len außer­dem kein Transport zur Praxis und kein Warten im Wartezimmer an, statt­des­sen ist das Tier unauf­ge­regt in sei­ner ver­trau­ten Umgebung. Zudem sind die Voraussetzungen leicht erfüllt: Für die Video-Besprechung braucht es nur eine Internetverbindung und ein Gerät wie ein Smartphone oder einen Laptop.

Für wel­che Fälle eig­net sich die vir­tu­el­le Sprechstunde?
Online-Sprechstunde beim Tierarzt mit HundGerade dann, wenn kei­ne aku­ten Schmerzen oder Verletzungen vor­lie­gen, son­dern sich Tierhalter bestä­ti­gen las­sen wol­len, dass mit ihrem Heimtier im Grunde alles in Ordnung ist, bie­ten Online-Sprechstunden eine gute Alternative zum Praxisbesuch. Typische Anliegen sind etwa Ernährungsfragen oder Auffälligkeiten wie Übelkeit, Verdauungsprobleme, Appetitlosigkeit oder ver­min­der­te Aktivität. Das Online-Gespräch ist aber auch eine gute Möglichkeit, sich Zweitmeinungen ein­zu­ho­len, wenn Halter sich zum rich­ti­gen Vorgehen oder einer Diagnose unsi­cher sind. Die vir­tu­el­le Besprechung ist dabei grund­sätz­lich für alle Tiere geeig­net. In der Telemedizin gel­ten die glei­chen Standards wie beim her­kömm­li­chen Tierarztbesuch: Der Tierarzt lässt sich den Fall schil­dern und berät, ob ein Problem vor­liegt und wie dem Tier gehol­fen wer­den kann. In der Video-Sprechstunde kann er außer­dem einen ers­ten Blick auf das Tier wer­fen und dem Halter Anleitungen geben oder die­sen Fotos von Details oder etwa Parasiten machen und die­se digi­tal zusen­den las­sen. Einige Fragen kön­nen häu­fig schon voll­stän­dig geklärt wer­den. Wenn kon­kre­te Untersuchungen not­wen­dig sind, kann ein Folgetermin in der Praxis ver­ein­bart werden.

Die Telemedizin hat aber auch ihre Grenzen. „Bei aku­ten Notfällen, also etwa bei Atemnot, star­ken Blutungen, Verletzungen oder nach einem Unfall, soll­te man nicht zögern und sofort eine Tierarztpraxis oder einen tier­ärzt­li­chen Notdienst auf­su­chen, damit unmit­tel­bar gehol­fen wer­den kann. Hier kann jede Minute zäh­len. Die Online-Beratung kann aber bei der Entscheidung hel­fen, mit dem Tier direkt in eine Klinik zu fah­ren, statt erst einen nor­ma­len Termin aus­zu­ma­chen“, so der Experte. Manche Untersuchungen erfor­dern etwa Bluttests oder Röntgenaufnahmen – das funk­tio­niert dann nur mit der Ausrüstung vor Ort. Auch ver­schrei­bungs­pflich­ti­ge Medikamente dür­fen nur nach einer tier­ärzt­li­chen Untersuchung in der Praxis ver­schrie­ben werden.

Wo fin­de ich Online-Sprechstunden?
Ob der Haustierarzt auch eine Online-Sprechstunde anbie­tet, ist meist auf der jewei­li­gen Website ver­merkt oder lässt sich beim nächs­ten Tierarztbesuch ein­fach nach­fra­gen. Üblicherweise gibt es dann einen Termin und einen Link, über den die Besprechung gestar­tet wer­den kann. Ebenso haben sich meh­re­re Anbieter auf Telemedizin spe­zia­li­siert, etwa Pfotendoctor, HaustierDocs oder FirstVet. Diese Plattformen arbei­ten mit Tierärzten zusam­men und kön­nen so oft schnell und rund um die Uhr einen Termin bie­ten, dafür aber kei­ne direk­ten Folgeuntersuchungen über­neh­men. Mitunter ist das Angebot nur auf Hunde und Katzen beschränkt, ande­re behan­deln dage­gen über Heimtiere hin­aus bei­spiels­wei­se auch Pferde.

„Bei den Kosten merkt man, dass Online-Sprechstunden noch eine rela­tiv jun­ge Entwicklung sind“, erklärt Dr. Schulte. „In der Gebührenordnung für Tierärzte gibt es daher noch kei­nen eige­nen Eintrag für die­se Dienstleistung. Telemedizin wird des­halb meist als ‚Beratung im ein­zel­nen Fall ohne Untersuchung‘ oder als ‚Eingehende Anamneseerhebung oder Beratung‘ abge­rech­net und ent­spre­chend auf der Rechnung ver­merkt.“ Viele Tierkrankenversicherungen decken die­se Art der Untersuchung eben­falls ab – Halter soll­ten das über­prü­fen oder bei ihrer Versicherung nachfragen.

Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) e. V.