Teil 1: Leinenführigkeit von Susanne Reinke

Die Antwort ist Fußarbeit – und wenn du jetzt denkst, dass das ohnehin was für Labradore, Wettbewerbshunde und Perfektionisten ist – du willst schließlich Leinenführigkeit, Fußposition und anderen Schnickschnack brauchst du nicht – tja, dann hast du falsch gedacht, denn Fußarbeit benötigt wirklich jeder, der mit seinem Hund zusammen spazieren gehen möchte, statt nur der Leinenhalter zu sein.
Der Mythos: Leinenführigkeit ist easy, Fußarbeit ist für Profis
Viele denken, dass Leinenführigkeit alltagstauglich, easy, und wirklich eines der absoluten Basics für Hunde ist, während Fußarbeit eigentlich eher die Streberdisziplin ist: für Hunde und Hundebesitzerinnen, die es besonders toll machen wollen, für die Sportlerinnen, Rassehunde und Perfektionistinnen. Sprich, dass Leinenführigkeit viel einfacher ist als Fußarbeit.
Hier kommt gleich die nächste Überraschung: Es funktioniert genau andersherum. Fußarbeit ist für deinen Hund viel leichter zu verstehen als Leinenführigkeit, und ich zeige dir auch gleich, warum:
Warum Fußarbeit für deinen Hund leichter zu verstehen ist

Fun Fact: Weil diese Art des Trainings eine echte Verbindung zwischen Mensch und Hund schafft, kommen viele Hunde, die mit diesem System Fußarbeit gelernt haben, oft einfach so freiwillig und unaufgefordert in die Fußposition, um ein Stück mit ihrer Besitzerin zusammenzulaufen.
Dazu kommt, dass du die Fußarbeit systematisch aufbaust. Das heißt, dass dein Fortschritt auch sichtbar ist. Du unterscheidest nicht zwischen „keiner Fußarbeit“ und „guter Fußarbeit“, sondern kannst genau sehen, wie viele Schritte – wortwörtlich – ihr euch gemeinsam nach vorn bewegt. So kannst du auch die kleinen Erfolge – am Fußballplatz vorbeigekommen – feiern und musst nicht auf den heiligen Gral – Fußarbeit überall, egal was passiert – warten.
Warum Leinenführigkeit so viel schwieriger ist
Leinenführigkeit klingt so herrlich simpel: „Mein Hund soll einfach nicht ziehen”. Aber was erst mal einfach klingt, ist für deinen Hund – und auch für dich – viel schwieriger als du vielleicht denkst. Lass mich das kurz an einem Beispiel erklären: Denken wir mal ans Giftköder-Training: Letztlich willst du ja „nur“, dass dein Hund nichts vom Boden frisst. Logisch klingt das allerdings nur für dich. Für deinen Hund sieht die Sache ganz anders aus: „Oh, Dönerreste, darf ich das?“, „Hmm, Döner ging nicht, aber hier liegt ein Stück Wurst, das geht sicher“. „Hier liegt schon wieder was, lecker! Durfte ich die Sachen vorher nicht fressen, weil sie auf dem Bürgersteig lagen? Sind Sachen im Park automatisch Futter?“
Das bedeutet für dich: Ihr müsst ganz viele verschiedene Situationen trainieren, bevor dein Hund versteht, dass du mit „nicht fressen“ wirklich „gar nichts fressen“ meinst. Das liegt daran, dass Hunde ortsbezogen lernen. Sie beziehen Orte und Umstände immer mit in ihren Lernprozess ein.
Zurück zur Leinenführigkeit. Es dauert sehr viel länger, deinem Hund den Sinn von Leinenführigkeit (nicht ziehen) beizubringen, weil er erst alle anderen Faktoren ausschließen muss. Anstatt direkt zu verstehen, dass er korrigiert wird, weil er gerade zieht, gibt es ja – laut Hundehirn – auch tausend andere Möglichkeiten, warum er gerade korrigiert wurde: „Weil da ein Vogel sitzt? Weil wir auf dem Hundeplatz sind? Ich gerade einen Keks bekommen habe? Wir gerade auf Asphalt laufen?“ Die Liste ist endlos, und für deinen Hund ist es richtig schwierig zu verstehen, dass du eigentlich nur möchtest, dass er nicht zieht. Eigentlich hat er sich ja gerade schon richtig toll verhalten, indem er den Vogel nicht gejagt hat, und seinen Keks hat er auch richtig brav gefuttert. Das heißt, dein Hund muss generalisieren und quasi nach Gefühl entscheiden, wofür er gerade korrigiert wird.
Dazu kommt, dass wir Menschen meist unterschiedlich korrigieren, je nach Gemütslage und Tagesform. Frag dich einfach am besten selbst: Was ist Ziehen eigentlich genau? Und schon siehst du: da gibt es riesen Unterschiede! Ziehen von den Beinen, leichtes Ziehen, langsames und stetiges Ziehen, Hängen lassen, mit richtig Hauruck ziehen … die Liste ist ziemlich lang. Als wäre das nicht schon kompliziert genug, kommt dazu, dass unterschiedliche Leinen auch unterschiedliche Längen haben, sodass der Radius für deinen Hund je nach Leine ebenfalls variiert, sodass er direkt wieder am Rätselraten ist: „Werde ich gezogen, weil gerade ein anderer Hund kommt? Liegt’s an dem Auto, das hier gerade viel zu laut vorbeirast? Oder heißt auf der Straße laufen automatisch Rucken?“
Kurz gesagt, dein Hund muss ziemlich viel überlegen und interpretieren, da die Leinenführigkeit in den unterschiedlichsten Situationen unter den verschiedensten Bedingungen gefordert wird. Es ist also nicht so, dass er Leinenführigkeit doof findet, sondern viel eher der Fall, dass er gar nicht versteht, was du eigentlich von ihm möchtest.
Dein Hund gibt also sein Bestes, aber bis er irgendwann mal verstanden hast, „Okay, Mensch sagt ziehen ist doof, ich hör auf zu ziehen“ ist dein Spaziergang schon fast vorbei, dein Arm fünf Zentimeter länger und du benötigst die Runde Entspannung jetzt noch dringender als vor deinem Spaziergang.
Fazit: Leinenführigkeit ist viel schwieriger als Fußarbeit

Du willst entspannte Spaziergänge und einen Hund, der mit dir läuft, statt an dir zerrt? Dann ist Fußarbeit genau das, was du benötigst. Nicht, weil es „sportlich“ ist oder schick aussieht, sondern weil es einfacher ist: für dich und deinen Hund. Du gibst das Signal, dein Hund läuft am Bein, und ihr fühlt euch beide sicher.
So! Jetzt bist du bestimmt überzeugt, dass Fußarbeit genau das Richtige für dich ist, aber du weißt gar nicht, wo du eigentlich anfangen sollst? Keine Sorge, das geht vielen so. Genau deshalb zeigt dir Hundeexpertin Susanne Reinke in Teil 3 dieser Serie, wie du in fünf einfachen Schritten strukturierte Fußarbeit in deinen Alltag integrierst. Ohne Drill und Frust, sondern mit Spaß und einigen Aha-Momenten. Also, bleib dran!
Tipp: Susanne Reinkes Podcast zur Fußarbeit.




































Susanne Reinke - Online-Hundeschule Jagdfieber



