Versuchstier 2020 ist der HundErkrath. In die­sem Jahr hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte den Hund in der Chemikalien- und Arzneimitteltestung zum Versuchstier des Jahres ernannt. Mit der Ernennung will der Tierrechtsverband zum einen auf das ver­steck­te Leid der Tiere in den Laboren auf­merk­sam machen. Zum ande­ren will er auf­zei­gen, dass der ent­schie­de­ne Einsatz einer Kombination aus tier­ver­suchs­frei­en Verfahren schon jetzt vie­le qual­vol­le Versuche mit Hunden been­den könnte.

Die erschüt­tern­den Undercover-Bilder aus dem Laboratory of Pharmacology and Toxicology (LPT) im nie­der­säch­si­schen Mienenbüttel haben ein­dring­lich gezeigt, was Hunde in Pestizid- und ande­ren Giftigkeitstests teil­wei­se erlei­den müs­sen. Der Hund wird neben der Ratte beson­ders häu­fig in gesetz­lich vor­ge­schrie­be­nen Tierversuchen ein­ge­setzt. Und die Zahlen stei­gen: 2018 muss­ten ins­ge­samt knapp 4.000 Hunde in den Versuch. Das ent­spricht einem Anstieg von fast 20 Prozent gegen­über 2017 1.

Chemikalientestung tier­ver­suchs­frei möglich
Mehr als die Hälfte der Hunde wur­den 2018 in Langzeit- und Stoffwechseltests ein­ge­setzt. Erstere unter­su­chen, wie sich ein poten­zi­ell gif­ti­ger Stoff nach mona­te­lan­ger, täg­li­cher Gabe im Körper aus­wirkt. Dabei wird den Tieren die Substanz täg­lich mit einem Pillengeber oder über eine Magensonde ver­ab­reicht. Am Ende der Tests wer­den die meis­ten Tiere getö­tet, um ihre Organe zu unter­su­chen. Nach Ansicht des Tierrechtsverbandes ist das beson­ders empö­rend, weil eini­ge die­ser qual­vol­len Tests ersetzt wer­den könn­ten: „Wenn der Wille da wäre, könn­ten bereits heu­te die 90-Tage-Studien an Hunden in der Chemikalientestung mög­li­cher­wei­se been­det wer­den. Eine tier­ver­suchs­freie Teststrategie 2 könn­te das Leid der Tiere been­den und zuver­läs­si­ge­re Ergebnisse lie­fern“, kri­ti­siert die Biologin Dr. Christiane Hohensee, Fachreferentin für tier­ver­suchs­freie Verfahren beim Bundesverband Menschen für Tierrechte.

Herzgiftigkeit: Neue Teststrategie kann Hunde-Versuche beenden
In der Arzneimittelentwicklung wird der Hund häu­fig in der Herzforschung ein­ge­setzt. Er lei­det für Bluthochdruckmedikamente, bei Implantationen von Herzüberwachungsgeräten und in Herzgiftigkeitstests. Dabei implan­tie­ren die Forscher den Tieren Transmitter und EKG-Elektroden und mes­sen die Herzreaktion auf Medikamente. „Es ist aus wis­sen­schaft­li­cher und aus ethi­scher Sicht inak­zep­ta­bel, dass der Hund noch immer in Herzgiftigkeitstests ein­ge­setzt wird. Denn auch hier steht längst eine tier­freie Teststrategie mit Herzzellen aus huma­nen indu­zier­ten plu­ri­po­ten­ten Stammzellen und in-sili­co-Methoden zur Verfügung“, sagt Dr. Christiane Hohensee.

Giftigkeitstests: USA und Niederlande wol­len aussteigen
Während die Zahl der Versuche mit Hunden in Deutschland steigt, haben die Niederlande und die USA kon­kre­te Ausstiegsdaten gesetzt, um die Giftigkeitstests an Säugetieren zu been­den. Nach dem bereits 2016 vor­ge­stell­ten nie­der­län­di­schen Abbauplan könn­ten Tierversuche für regu­la­to­ri­sche Sicherheitstests von Chemikalien, Lebensmittelzusätzen, Pestiziden sowie Tier- und Humanmedizinprodukten bis 2025 been­det wer­den 3. Die USA ver­ab­schie­de­ten 2019 eine Richtlinie die vor­schreibt, die Zahl der Giftigkeitstests an Säugetieren bis 2025 um 30 Prozent zu redu­zie­ren 4. Bis 2035 sol­len die soge­nann­ten Toxizitätstests in den USA been­det werden.

Unzuverlässig: Risikoabschätzung auf Basis von Tierversuchen
„Es ist völ­lig unver­ständ­lich, war­um Deutschland den Initiativen der USA und der Niederlande nicht folgt. Wenn Deutschland schon kei­nen eige­nen Ausstiegsplan auf­legt, so könn­te es die Niederlande zumin­dest unter­stüt­zen. Hinzu kommt, dass die Regierung noch immer auf eine Risikoabschätzung auf Basis von unzu­ver­läs­si­gen Tierversuchen setzt. Dies könn­te nicht nur die Bevölkerung bei der Arzneimittelentwicklung gefähr­den; Deutschland droht dadurch auch den Anschluss bei der Entwicklung neu­er human­spe­zi­fi­scher Verfahren zu ver­pas­sen“, schließt Hohensee.

Quellen
1. Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL): Versuchstierzahlen 2018: www​.bmel​.de
2. Die 90-Tage-Studien an Hunden bei der Chemikalientestung kön­nen mit einer tier­ver­suchs­frei­en Teststrategie ersetzt wer­den. Dieser arbei­tet mit einer Kombination aus in-vitro-Methoden mit Zellen, Geweben oder Organchips mit bereits bestehen­den Informationen, Datenbanken, Stoffgruppierungscharakterisierungen, epi­de­mio­lo­gi­schen Daten sowie Computeralgorithmen.
3. Abbauplan der Niederlande unter: www​.nca​dierpro​e​ven​be​leid​.nl
4. Die voll­stän­di­ge Richtlinie der EPA unter: www​.epa​.gov