Urteil zum Umfang einer Tierhalterhaftung

Rostock. Dass Tierhalter allein des­halb, weil sie einen Hund hal­ten, nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (§ 833 BGB, Tierhalterhaftung) für die Taten ihres Lieblings ein­ste­hen müs­sen, hat das Landgericht Rostock ent­schie­den. Im vor­lie­gen­den Fall hat­te das Herrchen eines cir­ca 50 Kilogramm schwe­ren Schäferhundmischlings die Leine des Hundes nur kurz an sei­ne Freundin wei­ter­ge­reicht, um sich selbst eine Zigarette zu dre­hen. Nachdem der Schäferhundmischling in der Folge einen klei­ne­ren, rund vier Kilogramm schwe­ren Yorkshire-Terrier ent­deck­te, riss er sich samt Leine von der völ­lig über­rasch­ten Freundin los und lief ziel­ge­rich­tet auf den Kleinhund und des­sen Hundehalterin zu. Diese hat­te ihren Hund ihrer­seits nicht ange­leint und sah sich gezwun­gen, zwi­schen die­sen und den Schäferhund zu tre­ten, ihren Hund sichernd hoch­zu­neh­men und den gro­ßen Hund abzu­drän­gen. Dabei pas­sier­te es: ein Finger blutete.

Die Hundehalterin des Yorkshire-Terriers erlitt im Ergebnis die­ser Annäherung eine blu­ten­de Wunde am Finger ihrer Hand, was in der Folge mit erheb­li­chen Langzeitfolgen wie teil­wei­ser Arbeitsunfähigkeit, der Notwendigkeit des Wechsels des Arbeitsplatzes mit schlech­te­rer Entlohnung, Dauerschmerzen und Einschränkungen im Rahmen der häus­li­chen Arbeit ver­bun­den war. Ungeklärt blieb, ob die Wunde in Folge eines Bisses des Schäferhundes oder aber durch einen Biss des ver­ängs­tig­ten eige­nen Tieres beim Hochnehmen ver­ur­sacht wurde.

Das Landgericht hat der ver­letz­ten Hundehalterin einen Anspruch gegen die Freundin des Schäferhundmischlingshalters abge­spro­chen, weil die­se den Schäferhundmischling nur kurz, ledig­lich aus rei­ner Gefälligkeit und nicht im Rahmen eines Aufsichtsvertrages an der Leine gehal­ten hat­te. Mit dem plötz­li­chen Ausreißen habe sie nicht rech­nen müssen.

Nach der Entscheidung des Landgerichts muss dage­gen der Hundehalter für das Verhalten sei­nes Schäferhundmischlings und die inso­weit ver­ur­sach­ten Folgen gera­de ste­hen. Denn hät­te sich die­ser nicht auf die Hundehalterin und deren Kleinhund gestürzt, wäre nichts pas­siert. Dabei war es für das Landgericht auch uner­heb­lich, ob nun letzt­lich der Schäferhund oder der klei­ne Terrier sei­ner­seits zuge­bis­sen hat­te. Denn auch ein sol­ches schreck­haf­tes Verhalten eines klei­ne­ren, sich eines Angriffs aus­ge­setz­ten Tieres sei dem Veranlasser als tier­ty­pi­sches Verhalten zuzu­rech­nen. Sinn und Zweck der Tierhalterhaftung sei der Schutz und die Einstandspflicht vor und für die ten­den­zi­el­le Unbezähmbarkeit der tie­ri­schen Natur als typi­sches dem Tier inne­woh­nen­den Risiko.

Da die Halterin des Yorkshire-Terriers aller­dings durch das Nichtanleinen und ihr Eingreifen auch ihren eige­nen Anteil zum Schadenseintritt bei­getra­gen habe, haf­te sie eben­falls antei­lig, wenn auch in gerin­ge­rem Maße als der Halter des Schäferhundes. Das Gericht hat hier eine Mithaftungsquote von 30 Prozent zu ihren Lasten angenommen.

Im Ergebnis ist der Hundehalterin ein Schadensersatzbetrag in Höhe von 8.587,27 Euro zuge­spro­chen und zudem fest­ge­stellt wor­den, dass der Beklagte Hundehalter für sämt­li­che wei­te­ren zukünf­ti­gen auf­grund des Hundebisses ent­ste­hen­den mate­ri­el­len Schäden ersatz­pflich­tig sein soll.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig.

Landgericht Rostock, Urteil vom 6. Februar 2024; 3 O 878/21