Hannover. Stellen Sie sich vor, Sie gehen an einem sonnigen Nachmittag mit Ihrem Hund spazieren. Sie betreten eine belebte Straße mit vielen Menschen und lauten Geräuschen. Ihr Hund verlangsamt seine Schritte, zieht die Rute ein und wirkt ängstlich, obwohl es eigentlich keinen konkreten Anlass dafür gibt. Diese und andere Situationen lösen bei vielen Hunden Angstzustände aus. Wenn ein solches Verhalten immer wieder auftrifft, sollten Sie einen Profi zurate ziehen, zum Beispiel auf Verhaltenstherapie spezialisierte Hundetrainer. Die Agila Haustierversicherung hat die zertifizierte Hundetrainerin Sabine Kutschick zum Umgang mit ängstlichen Hunden befragt.
Welche Ängste können Hunde haben?
Zuerst muss zwischen Furcht und Angst unterschieden werden, denn das ist wichtig für das jeweils passende Training mit dem Hund. Furcht wird durch konkrete Reize, Objekte oder Situationen (z. B. Silvester-Knaller oder eine Person mit Hut) ausgelöst. Angst ist ein unbestimmtes Gefühl der Beklemmung oder Besorgnis, zum Beispiel in engen Räumen, großen Menschenmengen oder bei Dunkelheit.
Wie erkenne ich Angst beim Hund? Welches Verhalten deutet darauf hin?
Angst und Furcht lösen Stressreaktionen im Körper aus. Der Organismus wird in die Lage versetzt, auf eine mögliche Gefahr schnell reagieren zu können. Anzeichen sind zum Beispiel weite Pupillen, schnelle Atmung, angespannte Muskulatur, aber auch eine unter den Bauch geklemmte Rute. Es kommt zu unterschiedlichen Reaktionen: Manche Hunde erstarren, andere versuchen zu fliehen oder gehen zum Angriff über.
Wie kann ich meinen Hund beruhigen, wenn er Angst hat?
Reagiert der Vierbeiner unsicher, ist es wichtig, selbst ruhig zu bleiben. Diese Stimmung überträgt sich bestenfalls auf das Tier und kann das Geschehen beeinflussen. Außerdem sollte man versuchen, das Stresslevel des Hundes zu senken. Eine positive Mensch-Hund-Beziehung, in der Besitzende ihrem Vierbeiner auch in schwierigen Situationen Schutz und Sicherheit bieten, hilft dabei. Auch Rituale, Pheromone, pflanzliche Wirkstoffe, Globuli oder im Extremfall auch Medikamente können dazu beitragen. Kann sich der Hund nur schwer oder gar nicht wieder beruhigen, auch wenn der Auslösereiz verschwindet, sollte tierärztlich abgeklärt werden, ob es organische Ursachen gibt, die eine normale Stressverarbeitung beeinträchtigen.
Wie kann ich mit meinem Hund an der Angst arbeiten?
Zuerst sollte der Vierbeiner natürlich auf größere Distanz zum Auslöser für das Verhalten gebracht werden. Ist er dann wieder ansprechbar, kann man sich gemeinsam das „Übel“ aus sicherer Entfernung anschauen. Wichtig ist ein kleinschrittiges Training, auf keinen Fall darf der Hund überfordert werden. Hier hilft ein Trainingstagebuch. Ziel muss es sein, eine positive Emotion mit dem Reiz zu verknüpfen. Ich gebe meinen Kunden oft das Bild der „Gedächtnisschallplatte“ mit auf den Weg. Sie sollen sich das Gehirn als Schallplatte vorstellen, in die jede Lernerfahrung ihre Rillen gezogen hat. Manche hinterlassen flache Rillen, andere tiefe. Wir können sie nicht ausradieren, nur versuchen sie mit positiven Lernerfahrungen zu „überschreiben“. Dabei kann und wird es auch immer mal Rückschläge geben.
Angst vor dem neuen Hundehalter
beziehungsweise vor Menschen allgemein – was tun?
Zur Sicherung des Hundes und von Personen ist es zunächst mal sehr wichtig, in kritischen Situationen ein Entlaufen oder Bissverletzungen zu verhindern. Ein gut sitzendes Sicherheitsgeschirr, ein Maulkorb und ein Tracker sind empfehlenswert. Außerdem sollte man klären, ob der Hund eine konkrete Furcht vor bestimmten Personen hat oder eine diffuse Angst in größeren Menschengruppen. Eine Ursache für die Unsicherheit der Bezugsperson gegenüber kann darin liegen, dass diese in Geruch, Aussehen oder Körpersprache anderen Personen ähnelt, mit denen der Vierbeiner unangenehme Lernerfahrungen gemacht hat. Ruhe, Geduld, das Respektieren der Individualdistanz und das Schaffen positiver Lernerfahrungen sind Bausteine für ein entspannteres Miteinander. Die Sympathie eines Hundes kann man nicht erzwingen oder sich mit Keksen erkaufen, man muss sie sich erarbeiten. Bei Angst vor Menschengruppen ist ein langsames Herantasten sinnvoll, um dem Hund die Möglichkeit zu geben, Anpassungsstrategien zu entwickeln. Ihn gleich ins größte Getümmel zu werfen, weil „er da durch muss“ ist nicht hilfreich, das Problem wird dadurch nicht gelöst. Die Bewältigung von Angst und Furcht bei Hunden erfordert Geduld, Verständnis und einfühlsame Unterstützung. Es ist wichtig, den Vierbeiner nicht zu zwingen, Situationen zu erleben, die ihn verunsichern, sondern ihm Raum zu geben, sich zurückzuziehen und Sicherheit zu suchen. Langsame Desensibilisierungsübungen und positive Verstärkung können ihm helfen, seine Unsicherheit zu überwinden.