Das Tal der Tränen durchschreiten

Bad Oldesloe. Wenn der Hund das ers­te Mal einen epi­lep­ti­schen Anfall erlei­det, ist dies eine erschre­cken­de Erfahrung für alle Familienmitglieder. Erster Ansprechpartner ist dann der ver­trau­te Tierarzt, der zunächst mit einer neu­ro­lo­gi­schen Untersuchung sowie einer labor-dia­gnos­ti­schen Kontrolle des Blutes ver­sucht, mög­li­che Ursachen für den Anfall fest­zu­stel­len. Bei der Diagnosestellung ist eine genaue Beschreibung des Anfallsgeschehens wich­tig. Hilfreich ist eine Videodokumentation der Anfälle, bei­spiels­wei­se durch Aufnahme mit dem Mobiltelefon.

Beim Hund sind epi­lep­ti­sche Anfälle die häu­figs­te chro­ni­sche neu­ro­lo­gi­sche Funktionsstörung. Einige mög­li­che Ursachen für das Krampfgeschehen, wie z.B. Stoffwechselerkrankungen, kön­nen behan­delt wer­den, um wei­te­re Anfälle zu ver­mei­den. Leider sind beim Hund trotz auf­wen­di­ger und kos­ten­in­ten­si­ver Untersuchungen häu­fig kei­ne Ursachen zu fin­den. Man spricht dann von einer idio­pa­thi­schen Epilepsie, bei der in der Regel nur durch die lebens­lan­ge Gabe von Antiepileptika erneu­te Krämpfe unter­drückt wer­den können.

Bei einem ein­ma­li­gen Anfall oder iso­lier­ten Anfällen in Abständen von mehr als sechs Monaten besteht aus Sicht von Fachleuten noch kein Grund für eine medi­ka­men­tö­se Langzeitbehandlung. „Treten die Anfälle wie­der­holt und in kür­ze­ren Abständen auf, ist nach gesi­cher­ter Diagnose eine kon­se­quen­te Therapie drin­gend anzu­ra­ten“, erklärt Matthias Hoffmann, Tierarzt bei Virbac Tierarzneimittel. Unbehandelt tre­ten die Anfälle in immer kür­ze­ren Abständen auf und wer­den zuneh­mend weni­ger kon­trol­lier­bar. Das Risiko für Serienanfälle mit meh­re­ren Krämpfen an einem Tag oder gar einen „Status epi­lep­ti­cus“, ein lebens­be­droh­li­ches Krampfgeschehen mit einer Dauer von fünf bis 30 Minuten, steigt.

Mittel der Wahl für die Behandlung der Epilepsie beim Hund ist der Wirkstoff Phenobarbital. Das in der Humanmedizin bewähr­te Präparat bie­tet Virbac nun mit vete­ri­när­me­di­zi­ni­scher Zulassung für Hunde an. Wichtig ist zu Beginn die kor­rek­te Einstellung des Patienten auf das Antiepileptikum. Neben der emo­tio­na­len Belastung mit der Diagnose Epilepsie beim gelieb­ten Haustier, wird der Tierhalter am Anfang der Behandlung einer wei­te­ren Prüfung unterzogen.

In den ers­ten zwei Wochen nei­gen Hunde dazu sehr schlapp zu sein, zei­gen ver­ein­zelt Schwierigkeiten beim Laufen und fal­len durch gestei­ger­ten Durst und Hunger auf. Dazu kom­men, trotz Behandlung, mög­li­che wei­te­re epi­lep­ti­sche Anfälle. „Aus Sicht der Tierhalter ist es ver­ständ­lich, dass sie die Behandlung am liebs­ten sofort wie­der abbre­chen wol­len, aber damit das Medikament anschla­gen kann, muss es kon­se­quent ein­ge­nom­men wer­den“, mahnt Matthias Hoffmann. „Nach 14 Tagen beginnt das Arzneimittel zu wir­ken, nach drei bis vier Wochen gehen die Nebenwirkungen zurück. Dieses Tal der Tränen müs­sen die Tierhalter durch­schrei­ten, auch wenn es schwerfällt.“

Es ist not­wen­dig, dass die Einnahme des Medikamentes zwei­mal pro Tag und immer zur glei­chen Uhrzeit erfolgt. Nur so kann ein gleich­mä­ßi­ger Wirkstoffspiegel auf­ge­baut wer­den. Durch regel­mä­ßi­ge Kontrollen des Wirkstoffgehaltes im Blut bestimmt der Tierarzt die indi­vi­du­el­le Dosierung für das Tier. Wenn der Patient erfolg­reich ein­ge­stellt ist, kei­ne oder nur noch weni­ge Anfälle hat, soll­ten Tierhalter nicht eigen­mäch­tig die Medikation abset­zen, weil sie ihren Hund als geheilt anse­hen. Änderungen der Dosierung soll­ten grund­sätz­lich immer mit dem Tierarzt abge­spro­chen wer­den. Ein abrup­tes Absetzen der Medikamente kann schwe­re Entzugskrämpfe hervorrufen.

Nicht bei allen Hunden kann durch die allei­ni­ge Gabe von Phenobarbital ein zufrie­den­stel­len­des Ergebnis erzielt wer­den. In die­sen Fällen kann eine Kombibehandlung die Lösung sein. Hierbei wird zusätz­lich der Wirkstoff Kaliumbromid ver­ab­reicht, der die Wirkung des Phenobarbitals unter­stützt. Für das Kaliumbromid-Präparat konn­te nun erst­mals eine Zulassung für Hunde erwirkt wer­den. Es wird von Virbac in einer tier­ge­rech­ten Tablettenstärke angeboten.

Wenn ein Hund an Epilepsie lei­det, ist der Behandlungsweg lang und erfor­dert viel Durchhaltevermögen, Verständnis für die Therapie und eine peni­ble Einhaltung der Behandlung. Aber die Diagnose Epilepsie bedeu­tet nicht das Ende – denn ein Hund kann, wenn er gut auf sei­ne Medikamente ein­ge­stellt ist, sehr gut damit leben.