Düsseldorf. Depressionen, Angststörungen und wei­te­re psy­chi­sche Erkrankungen wer­den in der Gesellschaft immer stär­ker wahr­ge­nom­men und respek­tiert. Doch nicht nur wir Menschen, son­dern auch Hunde kön­nen unter sol­chen Erkrankungen lei­den. Dr. Sandra Foltin ist Biologin und Psychologin und hat dazu das Buch „Black Dog“ ver­fasst, das zen­tra­le Studien und Ergebnisse aufgreift.

Folgt man den gän­gi­gen WHO-Definitionen für men­ta­le Erkrankungen, dann las­sen sich nach Dr. Foltin auch bei Hunden vie­le psy­chi­sche Erkrankungen fest­stel­len, unter anderem:

  • Essstörungen,
  • Angststörungen,
  • Zwangsstörungen,
  • Depressionen,
  • Posttraumatische Belastungsstörungen (PTBS),
  • Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (ADHS) und
  • alters­be­ding­te Erkrankungen wie Demenz.

Trauriger HundDas Feld ist breit gefä­chert und es gibt jedes Jahr neue Erkenntnisse. „Essstörungen bei Hunden sind in der Forschung noch ein rela­tiv neu­es Feld, dazu gibt es erst sehr weni­ge Studien. Zu Angststörungen exis­tie­ren dage­gen durch­aus schon älte­re Untersuchungen, aber vor allem gibt es eins: belast­ba­re Studien mit einer grö­ße­ren Zahl an Hunden und Rassen“, fasst Dr. Foltin die zuneh­men­de Relevanz die­ses Wissenschaftsfeldes zusam­men. Ein gro­ßes Problem, men­ta­le Erkrankungen bei Hunden zu erfor­schen, lie­ge dar­in, dass sich die vie­len Hunderassen mit­un­ter stark von­ein­an­der unter­schei­den und Erkenntnisse sel­ten all­ge­mein­gül­tig sind: „In ers­ter Linie wer­den zum Beispiel Retriever, Beagle und Schäferhunde erforscht, die sehr ver­brei­tet sind. Auch Bullterrier wer­den häu­fig genom­men – hier liegt es aber eher an gene­ti­schen Besonderheiten der Rasse, die die­se inter­es­sant macht.“ In den letz­ten Jahren sei­en aber auch ers­te ras­se­spe­zi­fi­sche Studien ent­stan­den, die eine mög­li­che Kopplung mit ande­ren Verhaltensauffälligkeiten der unter­such­ten Tiere zulassen.

Häufig sind Hütehunde betroffen
Auffällig sei, dass gera­de Hütehunde ver­hält­nis­mä­ßig häu­fig von Angst- oder Zwangsstörungen oder ADHS betrof­fen sind, also bei­spiels­wei­se Australian Shepherd, Border Collie oder Schäferhund. „Hütehunde wur­den gezielt dar­auf gezüch­tet, beson­ders auf­merk­sam, geis­tig und kör­per­lich schnell und hoch­sen­si­bel zu sein. Diese Attribute haben sich dann immer stär­ker aus­ge­prägt, resul­tie­ren aber lei­der oft in Merkmalen wie der Jagd nach Schatten oder ima­gi­nä­ren Fliegen“, sagt die Psychologin. Ein Problem sei, dass die­se Zwangsstörungen in der Zucht mit­un­ter nicht wahr­ge­nom­men oder igno­riert wer­den. Halter soll­ten sich daher immer auch den Zustand und die Lebensbedingungen der Elterntiere anse­hen und sich so gut es geht ver­ge­wis­sern, dass der Züchter seri­ös arbeitet.

Eine psy­chi­sche Erkrankung beim Hund erkennen
So wie beim Menschen äußern sich bei­spiels­wei­se Depressionen auch beim Hund nicht durch ein ein­zel­nes kla­res Merkmal. Vielmehr gibt es vie­le ver­schie­de­ne Anzeichen, zum Beispiel Freudlosigkeit, feh­len­de Motivation, Antriebs- oder Appetitlosigkeit. „Wenn vie­le typi­sche Symptome auf den Hund zutref­fen, dann soll­te man einen Tierarzt auf­su­chen, der das Thema psy­chi­sche Erkrankungen bei Tieren ernst nimmt“, rät die Biologin. „Zuerst wird dort fest­ge­stellt, ob eine kör­per­li­che Ursache vor­liegt. Es gibt also eine kör­per­li­che Untersuchung und es wird ein gro­ßes Blutbild gemacht. Danach sucht man nach ande­ren Erklärungen: Gab es zum Beispiel kürz­lich einen Trauerfall, der das Tier mit­ge­nom­men haben könn­te? Erst dann geht es gege­be­nen­falls wei­ter zu einem Verhaltenstherapeuten und mög­li­cher­wei­se wer­den von einem sach­kun­di­gen Veterinärmediziner Medikamente verschrieben.“

Entsprechende Spezialisten sind bis­her aber äußerst sel­ten in Deutschland und die häu­fig gro­ße Entfernung steht dann einer Behandlung oft im Weg. Eine Erstberatung kann aber immer auch über Videoanrufe erfol­gen, sodass die Distanz nicht mehr ganz so rele­vant ist. Insbesondere bei Angsthunden habe sich das schon sehr pro­fi­liert, so Dr. Foltin.

Was kön­nen Halter tun, damit mög­lichst kei­ne men­ta­le Krankheit beim Tier entsteht?
Hundehalter kön­nen eine psy­chi­sche Erkrankung bei ihrem Tier zwar nicht mit voll­kom­me­ner Sicherheit ver­hin­dern – ein paar Möglichkeiten, die Wahrscheinlichkeit zu ver­rin­gern, sieht Dr. Foltin aber doch:

  • Der Alltag des Hundes soll­te ihn zwar men­tal for­dern, aber nicht über­for­dern. Es soll­te immer Möglichkeiten geben, dass der Hund nach eige­ner Entscheidung erkun­den und erschnüf­feln darf.
  • Da Hunde die Befindlichkeiten in ihrer Umgebung spie­geln kön­nen, kön­nen sich auch Streit und Stress zu Hause auf das Tier aus­wir­ken. Halter soll­ten des­halb im Umgang mit dem Tier mög­lichst Ruhe bewahren.
  • Zentral sei aber vor allem, die Kommunikation des Hundes lesen zu ler­nen: „Studien zei­gen, dass über 80 Prozent der Halter nicht aus­rei­chend gut dar­in sind, ihre Hunde zu ver­ste­hen. Selbst wenn es deut­li­che Anzeichen gibt, wer­den Symptome häu­fig über­se­hen oder nicht ernst genom­men“, warnt die Expertin.

Unabhängig davon, Krankheitssymptome zu erken­nen, ist es von Beginn des Zusammenlebens mit einem Hund an wich­tig, die Art und Weise, wie er mit uns kom­mu­ni­ziert, zu über­set­zen und rich­tig zu deu­ten. Neben der zahl­rei­chen Literatur bie­tet es sich immer an, in einer fach­kun­di­gen Hundeschule, die auf posi­ti­ve Verstärkung setzt, mehr über die Besonderheiten der Hunde-Kommunikation zu erfah­ren. Hat man Anhaltspunkte, dass sich das Verhalten des eige­nen Tieres ver­än­dert, soll­te man dies über einen gewis­sen Zeitraum beob­ach­ten und beim nächs­ten Tierarztbesuch ansprechen.

Industrieverband Heimtierbedarf (IVH) e. V.