Bissverletzungen: Kein bisschen harmlosMarburg. Nur drei punkt­för­mi­ge Hautverletzungen am Arm sind nach dem Biss eines Nachbarhundes zu sehen, aus einer tritt ein wenig Blut aus. Arno S. ist geschockt von dem Angriff des Tieres. Wegen gesund­heit­li­cher Gefahren macht er sich aber kei­ne Gedanken, es sieht nicht dra­ma­tisch aus. Auf Anraten einer Kollegin geht er den­noch zum Arzt. Zu sei­nem Erstaunen ist nun eine Tetanusimpfung erfor­der­lich, obwohl regu­lär eigent­lich noch kei­ne Auffrischung not­wen­dig war. Der Arzt des­in­fi­ziert die Wunde – und emp­fiehlt eine pro­phy­lak­ti­sche Antibiotika-Behandlung. Ist das wirk­lich notwendig?

Immer wie­der wer­den Ärzte mit Verletzungen durch Bisse kon­fron­tiert: Jährlich ereig­nen sich in Deutschland etwa 30.000 bis 50.000 Bissverletzungen. Genauere Zahlen gibt es nicht, da kei­ne Meldepflicht besteht. Der größ­te Teil, etwa 60 bis 80 Prozent, geht auf das Konto von Hunden. Und in den aller­meis­ten Fällen, in etwa 90 Prozent, sind die „Beißer“ der eige­ne Hund oder zumin­dest ein bekann­tes Tier. Auch Stubentigerbeißen schon mal zu. An bis zu 30 Prozent aller Bissverletzungen sind sie betei­ligt. Auch in Bezug auf die Opfer und die betrof­fe­nen Körperteile gibt es Muster: So sind Kinder sind häu­fi­ger Beißopfer als Erwachsene, und der Großteil der Verletzungen fin­det sich an den Extremitäten. Es kom­men auch Wunden im Kopf-Hals-Bereich vor, vor allem bei Kindern.

Unterschätztes Risiko: Infektionen durch Tierspeichel
Ein Hundebiss hin­ter­lässt typi­sche Spuren. Oftmals zei­gen sich ober­fläch­lich nur klei­ne Verletzungen, in der Tiefe kön­nen aber aus­ge­dehn­te Gewebszerreißungen und Quetschungen vor­han­den sein. Neben den mecha­ni­schen Schädigungen kann es auch zu Infektionen kom­men, und die­se Gefahr wird von Laien oft unter­schätzt. Problematisch sind Erreger im Speichel, die mit dem Biss in die Wunde gelan­gen. Dadurch kommt es bei fünf bis 20 Prozent der Hundebissverletzungen zu Infektionen. „Der Speichel von Katzen ist, was das angeht, noch gefähr­li­cher“, erklärt Dr. Ute Arndt, Immunologin beim Deutschen Grünen Kreuz e. V. Die nadel­spit­zen Zähne trans­por­tie­ren einen gefähr­li­chen Erreger-Cocktail in die Tiefe des Gewebes. „Die Bisswunden von Katzen ent­zün­den sich in bis zu 50 Prozent der Fälle“, so Arndt.

Bisse an Händen und Füßen
Besonders ernst genom­men wer­den soll­ten Verletzungen im Bereich der Hand. Denn die Erreger kön­nen sich rasch ent­lang der Bindegewebssepten über Sehnenscheiden, den Karpaltunnel oder Muskelkompartimente bis in den Unterarm aus­brei­ten. Laut der Humanbiologin kommt noch etwas ande­res hin­zu: An der Hand gibt es viel gefäß­ar­mes Gewebe wie Knorpel, Bänder und Sehnen, wo das Immunsystem nur begrenzt wirk­sam wer­den kann. Das glei­che gilt für die Füße, an denen es aber viel sel­te­ner zu Bisswunden kommt.

Tetanus: abwei­chen­de Empfehlung bei Bisswunden
Es emp­fiehlt sich, auch bei klei­ne­ren Bisswunden den Arzt oder die Ärztin aus­zu­su­chen, damit die Wunde gerei­nigt und des­in­fi­ziert wer­den kann. Gegebenenfalls sind wei­te­re Maßnahmen erfor­der­lich. Dazu könn­te auch eine Impfung gegen Tetanus gehö­ren. „Normalerweise reicht bei Geimpften einen Tetanus-Auffrischung alle zehn Jahre“, erklärt Ute Arndt. „Liegen jedoch Wunden mit einer erhöh­ten Infektionsgefahr vor, soll­te eine Tetanus-Impfung als Kombinationsimpfung mit Diphtherie und ggf. Keuchhusten bereits dann gege­ben wer­den, wenn die letz­te Impfung mehr als fünf Jahre ver­gan­ge­nen ist.“

Antibiotikabehandlung sinn­voll?
Eine vor­beu­gen­de Behandlung durch Antibiotika wird nicht gene­rell emp­foh­len. Dennoch spre­chen sich vie­le Experten für eine Antibiotikagabe aus, und zwar bei fri­schen tie­fen Verletzungen sowie bei Verletzungen in bestimm­ten kri­ti­schen Körperregionen (Hände, Füße, gelenk­na­he Regionen, Gesicht, Genitalien), bei Personen mit erhöh­tem Infektionsrisiko und bei Patienten mit Implantaten, zum Beispiel einer Herzklappe. Wer jedoch erst 24 Stunden nach der Bissverletzung ohne Anzeichen einer Infektion in die Praxis kommt, dem brau­chen kei­ne Antibiotika mehr ver­schrie­ben zu wer­den. Eine Vermehrung von Krankheitserregern ist dann nicht mehr zu erwarten.

Hundebisse vermeiden

Kinder soll­ten

  • sich von frem­den Hunden fernhalten,
  • nicht ohne Aufsicht mit Hunden spielen,
  • Hunde nicht beim Schlafen, Fressen oder bei der Betreuung des Nachwuchses stören.
  • Kinder müs­sen ler­nen, dass der Hund auch mal Ruhe braucht, vor allem wenn er sich selbst zurückzieht.
  • Auch beim Kneifen, Stupsen oder Ziehen am Schwanz muss den Kindern klar­ge­macht wer­den: Das mag der Hund nicht!

Eltern soll­ten

  • die Kinder recht­zei­tig beleh­ren, wie sie mit dem eige­nen Hund umgehen,
  • wie sie sich bei Annäherung eines frem­den Hundes ver­hal­ten sol­len und
  • das Kind nicht mit Hunden allei­ne lassen.

Tierbesitzer soll­ten Folgendes beachten

  • Hunde, aus deren Vorgeschichte aggres­si­ves Verhalten bekannt ist, gehö­ren nicht in Haushalte mit Kindern.
  • Eine adäqua­te Erziehung der Hunde (Hierarchie-Verhalten) ist notwendig.
  • Aggressive Spiele mit den Hunden soll­ten ver­mie­den werden.
  • Tritt ein aggres­si­ves Verhalten des Hundes auf, soll­te pro­fes­sio­nel­le Beratung in Anspruch genom­men werden.

Quellen: 1. Rothe K, Tsokos M, Handrick W: Animal and human bite wounds. Dtsch Arztebl Int 2015; 112: 433–43. https://​www​.aerz​te​blatt​.de/​p​d​f​/​1​1​2​/​2​5​/​m​4​3​3​.​p​df2. Robert Koch-Institut: Epidemiologisches Bulletin, 25. August 2014 / Nr. 34 3. Karin M. Franke: Therapie bei Bissverletzungen: Bis(s) zum sep­ti­schen Schock; Fachartikel vom 14.12.2015 unter www​.thie​me​.de.

Deutsches Grüne Kreuz e.V. (dgk)