Doch der Versuch der so gear­te­ten Selbstdisziplinierung schei­ter­te. Hund hat­te zuneh­mend Bammel. Sein Herz klopf­te bis zum Halse. Sogar noch im Liegen wackel­ten ihm sämt­li­che vier Beine vor Furcht. Spinnchen ließ es augen­schein­lich kalt, wel­che Gefühle es in die­sem Riesentier aus­lös­te. Munter husch­te es fort­wäh­rend sei­ne sämt­li­chen Beine rauf und run­ter. Auch ein paar Schnappversuche blie­ben erfolg­los. Er schaff­te es ein­fach nicht, den Plagegeist los zu wer­den. Seine Panik stei­ger­te sich schier ins Grenzenlose. Was geschä­he, wenn die jetzt ein Riesennetz pro­du­zier­te, um ihn dann mit dem sel­bi­gen kunst­ge­recht zu einem Leckerbissenvorratspaket zu ver­schnü­ren? Die hecheln­de Aufregung in der Mittagshitze mach­te ihn fer­tig. Nach ein paar Minuten war er so grog­gy, dass er frus­triert den Scheinkampf Hund-Spinnchen auf- und sich in sein Schicksal ergab. Sein letz­ter Gedanke, sei­ne letz­te Hoffnung war es, dass die­ses Ungetüm sich wenigs­tens an ihm den Magen so gründ­lich als mög­lich ver­der­ben soll­te. Das wür­de sei­ne post mor­ta­le Rache sein. Die Anstrengungen wegen “Krabbel“ waren zuviel für den alten Hund. Kraftlos ließ er sei­nen Kopf wie­der zurück ins Gras sin­ken und schlief auf­seuf­zend ein. Es soll­te der längs­te Mittagsschlaf sei­nes Lebens wer­den. Ein Mittagsschlaf, aus dem er nie wie­der erwachte.

Zunächst bemerk­te sein mensch­li­ches Rudel es nicht. Sie gin­gen davon aus, dass er stun­den­lang vor sich hin träum­te. Selbst sein klei­ner vier­bei­ni­ger Freund ahn­te noch nichts. Noch nicht, obwohl Tiere unter­ein­an­der es sehr schnell spür­ten, wenn ein Artgenosse sich auf die aller­letz­te, lan­ge Reise begab. Erst nach Stunden, als “Abendessen für Wauwaus“ ange­sagt war, da kam ihnen allen das komisch vor. Sicher, Matos Gehör war nicht mehr das bes­te. Häufig brauch­te es ein zehn­ma­li­ges Rufen, ehe er dann end­lich antrab­te. Früher, in sei­nen jun­gen Tagen, war er immer­hin schon nach dem fünf­ten Kommando gnä­digst erschie­nen. So nach dem Motto: “Na ja, ich guck ‘mal, was ihr treibt!“.

Die Trauer war schreck­lich, als sie merk­ten, was los war. Auch Quinny war nicht zu beru­hi­gen. Sein bes­ter Freund hat­te ihn ver­las­sen. Seine Hundewelt war total in Unordnung gera­ten. Stundenlang win­sel­te er ver­zwei­felt vor sich hin.

Sie alle hat­ten ja kei­ne Ahnung. Hätten sie es gewusst, wäre die Trauer in Freude umge­schla­gen. Denn Matos klei­ne Hundeseele war glück­lich. Nichts fiel ihr mehr auf die Nerven. Da war nur noch Friede und Freude um sie her. Keine Mäuse, kei­ne Fasane, kei­ne Katzen, kei­ne frem­den Rüden und vor allem kei­ne fre­chen klei­nen Spinnchen mach­ten ihm län­ger sein Hundeleben zur Hölle. Sorgten nicht mehr für eigent­lich total unnö­ti­ge Aufregungen. Nein, feder­leicht fühl­te sich sei­ne Seele, befreit von allem irdi­schen Ballast. Und dem­entspre­chend leicht und unbe­küm­mer­ten Gemütes ver­ab­schie­de­te sie sich aus ihrem mehr als 15jährigen Zuhause und schweb­te dann frei durch die Luft, “Danke für alles!“, flüs­ter­te sie mit einem weh­mü­ti­gen Blick zurück, “Ich wer­de immer um euch sein!“.

Als Geisthündchen in Mato-Gestalt stieg sie auf. Geführt auf die­sem rich­tung­wei­sen­den Wege vom Schutzengel Franziskus, der sich unbe­merkt ihr zuge­sellt hat­te, “Komm, nur kei­ne Angst! Du warst Dein Leben lang stets ein bra­ver Hund. Dir ist ein Platz im Himmel sicher!“. Sie stie­gen höher und höher, durch die Wolkendecke hin­durch, die sich zwi­schen­zeit­lich ver­dich­tet hat­te, ver­lie­ßen die Erde und schweb­ten schwe­re­los wei­ter und wei­ter in den Weltenraum hin­ein. Mato wuss­te es nicht abzu­schät­zen, wie lan­ge ihr Flug andau­er­te. Noch nicht ein­mal eine Richtung hät­te er ange­ben kön­nen. Im All gibt es ja bekannt­lich kein Oben und Unten, kein Rechts und Links. Trotz der Dunkelheit emp­fand er mit Franziskus an sei­ner Seite kei­ne Furcht. Ruhig und gelas­sen schweb­te er durch die end­lo­se Stille. „Wann sind wir da?“, erkun­dig­te er sich bei Franziskus. Mit einem Lächeln erwi­der­te der Engel: “Das, was Dir irr­sin­nig lang erscheint, ist nur ein win­zi­ger Teil der Ewigkeit”. Und, auf Matos ver­ständ­nis­lo­sen Blick hin: „Wir haben gleich unser Ziel erreicht. Schließe für einen Moment Deine Augen, und öff­ne sie erst wie­der, wenn ich es Dir sage. Hab‘ Vertrauen“.