Streicheln – oder bes­ser nicht?

Hund und KinderMarburg. Hunde sind für die meis­ten Kinder über­aus inter­es­sant und attrak­tiv. „Darf ich den strei­cheln?“, fra­gen die Knirpse, wenn ihnen ein Hund auf dem Gehweg ent­ge­gen kommt. Was soll­ten Eltern ihren Sprösslingen sagen? Zunächst ein­mal: Hunde sind für Kinder tol­le Spielge­fährten, aber immer wie­der wer­den sie auch zur Gefahr. Nach Angaben deut­scher Haftpflichtversicherer wer­den in der Bundesrepublik jähr­lich 30.000 Schadensfälle durch Bissverletzungen regis­triert. Wobei die Dunkelziffer, beson­ders bei leich­ten Verletzungen, erheb­lich höher lie­gen dürf­te. Kinder wer­den nicht nur häu­fi­ger als Er­wachsene von Hunden gebis­sen – Bissverletzungen bei Kindern sind auch oft schwerwie­gender als bei Erwachsenen, weil Hunde klei­ne Kinder häu­fi­ger in Hals oder Gesicht beißen.

„Den Hund ken­ne ich“ reicht nicht
Wichtig zu wis­sen: Die meis­ten Bissverletzungen bei Kindern wer­den nicht etwa durch frem­de, son­dern durch bekann­te Hunde oder durch Hunde im eige­nen Haushalt ver­ur­sacht. Kleinkinder darf man daher nie mit einem Hund allein las­sen, auch nicht mit dem eige­nen. Zum einen kön­nen Kinder in dem Alter das Verhalten eines Hundes noch nicht ein­schät­zen. Zum ande­ren kann es zu Situationen kom­men, in denen der Hund sich ange­grif­fen fühlt. Hundebesitzer müs­sen dafür sor­gen, dass ihre Kinder (und deren Freunde) mög­lichst früh die Grundregeln im Umgang mit ihrem vier­bei­ni­gen Spielkameraden erler­nen und ein­hal­ten. Dazu gehört bei­spiels­wei­se, dass man einen Hund beim Fressen nicht stö­ren darf. Hunde reagie­ren wie Jagdtiere: Wenn sie etwas zum Fressen haben, ver­tei­di­gen sie ihre “Beute”. Hunde dür­fen nicht umarmt wer­den, denn sie kön­nen das als Bedrohung emp­fin­den. Außer­dem muss klar gemacht wer­den, dass Hunde nie geär­gert wer­den dür­fen. Einen Hund, der in sei­nem Körbchen liegt, soll­te man in Ruhe las­sen. Er signa­li­siert, dass er mal ein Päuschen braucht.

„Darf ich den streicheln?“
Da man Hunden über­all im öffent­li­chen Raum begeg­nen kann, soll­ten alle Kinder, egal, ob in ihrem Haushalt ein Hund lebt oder nicht, den rich­ti­gen Umgang mit Hunden erler­nen. Fremden Hunden soll­ten sich Kinder wie Erwachsene gene­rell vor­sich­tig nähern, denn jeder Hund hat sei­ne Eigenarten und auch eige­ne Erfahrungen mit Kindern gemacht. Patentrezepte gel­ten nicht! Begegnen Kinder einem frem­den Hund, müs­sen sie den Besitzer fra­gen, ob er das Streicheln erlaubt. Wenn ja, darf sich das Kind dem Vierbeiner lang­sam von vor­ne nähern und war­ten, bis das Tier von selbst den Kontakt auf­nimmt, wie beispiels­weise durch Schnuppern an der aus­ge­streck­ten Hand. Niemals dür­fen Hunde über­ra­schend von hin­ten ange­fasst wer­den! Weicht der Hund nach der „Begrüßung“ zurück, darf man nicht nach­ge­hen und ihn bedrän­gen. Ein Hund, der vor einem Geschäft ange­leint ist, darf nicht gestrei­chelt wer­den. Hunden im Auto oder hin­ter Gartenzäunen soll­te man sich eben­falls nicht nähern – sie kön­nen sich schnell ange­grif­fen fühlen.

Auch bel­len­de Hunde kön­nen beißen
Ist das Kind alt genug, kann es auch ler­nen, die Körpersprache der Tiere zu ver­ste­hen. So signa­li­siert ein ein­ge­zo­ge­ner Schwanz Ängstlichkeit. Der Hund soll­te dann in Ruhe gelas­sen wer­den. Etwas schwie­ri­ger kann es sein, Kindern bei­zu­brin­gen, dass sie vor Hunden nicht weg­lau­fen sol­len – auch wenn sie Angst haben. Denn Hunde lau­fen und jagen ger­ne. Ein davon­lau­fen­des Kind lädt zum Schnappen ein. Deshalb: Stehen blei­ben und sich vom Hund weg­dre­hen. Ein ste­hen­der, unbe­weg­li­cher Mensch wird für den Hund schnell unin­ter­es­sant. Zu guter Letzt ein Sprichwort: “Hunde, die bel­len, bei­ßen nicht”. Schön, wenn es so ein­fach wäre. Doch die­se Regel ist falsch, auch bel­len­de Hund kön­nen zuschnap­pen. Kinder soll­ten ler­nen, die Gesamtsituation im Auge zu behal­ten, statt ver­meint­li­chen Regeln blind zu vertrauen.

Quellen
(1) Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Mehr Sicherheit für Kinder e.V.
(2) Uhlarik, S. et al.: Hundebissverletzungen des Gesichtes bei Kindern; Notfall und Ret­tungsmedizin Nr. 4, 2000. doi:10.1007/s100490070050
(3) Kuntz, Peter, Pieringer-Müller, Edeltraud, Hof, Herbert: Infektionsgefährdung durch Bißverletzungen; Deutsches Ärzteblatt 93(15): A‑969; 1996
(4) Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.: Kind und Hund. Wie sind Verletzungen von Kindern durch Hunde zu ver­hin­dern? Merkblatt Nr. 104, zu fin­den unter www​.tier​schutz​-tvt​.de

Deutsches Grünes Kreuz e. V./Heike Stahlhut